Smart Systems

Wo geht die Reise hin?

Wie sieht die Zukunft der smarten Systeme aus? Welche technologischen Entwicklungen bringen die größten Veränderungen und wie steht Europa im internationalen Vergleich da? Darüber sprechen wir mit Stefan Finkbeiner, CEO, Bosch Sensortec GmbH & Chairman EPoSS e. V..

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Wird die Integration künstlicher Intelligenz (KI) smarte Systeme noch einmal revolutionieren und wenn ja, wie und warum?

Stefan Finkbeiner: KI sorgt nicht nur für neue Anwendungen, sondern ermöglicht auch Personalisierung. Sie kann das Design von kundenspezifischen Produkten vereinfachen, die Entwicklungsdauer verkürzen und die Gesamtbetriebskosten senken.

Einer unserer Sensoren eignet sich beispielsweise für die Anzeige von verdorbenen Lebensmitteln aber genauso für die frühzeitige Erkennung von Waldbränden und weitere Anwendungsfälle. Dank der KI-Funktionen des Sensors und entsprechender Software-Tools, können Kunden mühelos innerhalb kurzer Zeit passgenaue Lösungen für ihre spezifischen Anwendungsfälle entwickeln.

Welche Rolle werden Quantensensoren für smarte Systeme zukünftig spielen?

Stefan Finkbeiner: Die Quantentechnologie verschiebt die Grenzen des Machbaren sowohl im Bereich der Datenverarbeitung als auch im Bereich der Sensoren. Bosch forscht deshalb seit Jahren intensiv im Bereich der Quantensensorik.

Überall fehlen Fachkräfte – wie sieht die Situation in Ihrer Branche aus?

Stefan Finkbeiner: Wir weitern unser Portfolio kontinuierlich aus. Dies lässt sich nur mit entsprechenden Fachkräften und Experten realisieren und es ist definitiv eine Herausforderung, ausreichend Fachkräfte zu finden. Es ist deshalb dringend erforderlich, dass wir zusammen mit den Hochschulen wieder mehr Schüler für entsprechende Studiengänge begeistern können.

Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf.

Bedrohen smarte Systeme ggfs. sogar Arbeitsplätze? Stichwort Automatisierung…

Stefan Finkbeiner: Das können wir für unser Geschäft nicht feststellen. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren haben wir unsere Kompetenz im Bereich der KI signifikant erweitert – mit KI-Experten aus der ganzen Welt. Eine KI muss eine Arbeitskraft nicht ersetzten, vielmehr kann sie, sinnvoll eingesetzt, monotone Tätigkeiten erleichtern. So fällt der Arbeitsplatz nicht weg, sondern die Arbeit an sich ändert sich.

Uns alle bewegt das Themen Nachhaltigkeit. Welchen Beitrag leisten smarte Systeme hier?

Stefan Finkbeiner: Wir sind davon überzeugt, das nachhaltiges, ökologisch und sozial verantwortliches Handeln die Grundlage für unseren wirtschaftlichen Erfolg ist. Diese Haltung prägt den gesamten Konzern und spiegelt sich in unserem Handeln aber auch in unseren Produkten wider.

Unsere Sensoren können helfen, den CO2 Ausstoß zu reduzieren: Ein Beispiel hierfür ist unsere Digitale Nase mit KI.

Gerade einmal 3 x 3 Millimeter klein ist die „Spürnase“ des Wald-Feuermelders. Der im System verbaute Umweltsensor von Bosch ist weltweit der erste Gassensor mit künstlicher Intelligenz und der erste, der für die Früherkennung von Waldbränden eingesetzt wird. Dabei lernt er ständig dazu und verbessert sich: Die Daten aller installierten Sensoren werden gesammelt, um die Umweltsensoren mit Hilfe von künstlicher Intelligenz fortlaufend zu trainieren und ihre Genauigkeit bei der Erkennung und Analyse von Gasen zu verbessern. Dazu wurde eigens eine Software entwickelt. Entdeckt der Sensor einen Brand, schlägt er sofort Alarm, sendet ein Signal in die Cloud und verständigt damit die Einsatzkräfte.

Hand auf`s Herz: Sind smarte Systeme heutzutage wirklich sicher? Was muss getan werden, damit wir ihnen in allen Anwendungsbereichen vertrauen können?

Stefan Finkbeiner: Security ist ein wichtiges Thema, das wir sehr ernst nehmen. Derzeit kommunizieren unsere Sensoren mit dem Applikationsprozessor unserer Kunden und haben keine direkte Datenverbindung „nach außen“. Unsere smarten Sensoren erlauben lokale Prozessierung von Daten, lokale Funktionen und Plausibilisierung der Sensorsignale, die die Datensicherheit mit unterstützen.

Wenn die KI auf dem Sensor selbst läuft (Edge AI), ist keine Verbindung zu einer Cloud oder einem Smartphone erforderlich. Die Daten bleiben privat, Aktivitäten können ganz ohne Internetverbindung laufend getrackt und analysiert werden. Edge AI minimiert zudem die Latenzzeit und den Stromverbrauch, so dass die Nutzer schnelle Rückmeldungen in Echtzeit erhalten und ihre Geräten weniger oft laden müssen.

Wie schauen Sie auf die derzeitige Situation der Branche in Europa? Was macht uns stark und in welchen Bereichen müssen wir dringend agieren, um nicht an Boden zu verlieren?

Stefan Finkbeiner: Europa ist stark in der Entwicklung und Fertigung komplexer Systemlösungen. Beispiele dafür sind die Automobilindustrie, Automatisierung, Medizintechnik und auch die Mikrosystemtechnik.

In der Mikrosystemtechnik, dafür kann ich sprechen, haben wir hier in Europa die weltweit führenden Unternehmen.
Aber  Mikrosysteme integrieren immer mehr Funktionen und Kompetenzen im Bereich Hardware und Software. Hier ist es wichtig, entsprechende Fachkräfte und Systemexperten auszubilden, die die Weiterentwicklung und Integration zusätzlicher Funktionen vorantreiben und die Marktführerschaft weiter ausbauen.
Wesentlich für die Marktführerschaft in der Mikrosystemtechnik ist auch die lokale Fertigung der Kernkomponenten in Europa: Entwicklung und Fertigung lokal zusammenzuhalten ermöglicht schnelle Entwicklungen und Innovationen. Um dies zu gewährleisten hat Bosch in den letzten Jahren die Fertigungskapazität in MEMS und Halbleiter ausgebaut und wird dies auch weiterhin tun.

Insgesamt hat Bosch in seine Halbleiterfertigungen in Reutlingen und Dresden seit der Einführung der 200-Millimeter-Technologie im Jahr 2010 bereits mehr als 2,5 Milliarden Euro investiert. Hinzu kommen weitere Investitionen in Milliardenhöhe für die Entwicklung der Mikroelektronik. Im Sommer 2022 hat Bosch bekanntgegeben, bis 2026 im Rahmen seines Investitionsplans und mit Hilfe des europäischen Förderprogramms IPCEI Mikroelektronik und Kommunikationstechnologie („Important Project of Common European Interest on Microelectronics and Communication Technologies“) weitere drei Milliarden Euro in sein Halbleitergeschäft in Europa zu investieren.

Welche Rolle spielen Netzwerke und in welchen Bereichen entfalten Netzwerke wie EPoSS ihr größtes Potential?

Stefan Finkbeiner: Netzwerke sind der Nucleus jeder Kooperation und gerade EPoSS, als Verein, der unsere Smart Systems Community in Europa seit 2006 eng miteinander verbindet, ist so ein Nucleus. EPoSS ist das Sprachrohr, dass wir als Industrie – aber auch unsere Mitglieder von den europäischen Forschungseinrichtungen – haben, um uns in Brüssel Gehör zu verschaffen. Über EPoSS können wir die Europäische Roadmap für Elektroniksystem-Entwicklungen (ECS SRIA) für die jeweils nächsten 10-15 Jahre maßgeblich mitgestalten und gemeinsame vorwettbewerbliche Europäische Entwicklungsprojekte initiieren. EPoSS repräsentiert uns, die Smart Systems Akteure derzeit im KDT JU, dass ja bald dann zum Chips JU wird, und hat dabei eine immens wichtige Botschaft zu überbringen: Europa braucht Chip-Produktion, aber nicht nur diese! Auch unsere Themen zur System Integration und KI müssen weiterentwickelt werden und die Applikationsthemen sind wichtig, um nicht international an Boden zu verlieren.

Als Chairman von EPoSS habe ich mich dafür stark gemacht, dass wir auch in der Ausgestaltung der Chips4EU Initiative eine Rolle spielen. EPoSS ist das Netzwerk in Europa, dass sich für unsere Community stark macht, und wir arbeiten dabei sehr gut und gerne mit den Regionalen Netzwerken, wie Silicon Saxony, microTEC Südwest oder IVAM zusammen, um nur ein paar zu nennen. Ich bin seit vielen Jahren gerne der Kopf dieses Netzwerkes von „smart people for smart systems“.

Welche Smarten Systeme setzen Sie in Ihrem Alltag ein? Worauf könnten Sie nicht mehr verzichten und was werden Sie niemals nutzen?

Stefan Finkbeiner: Smarte Systeme zur Navigation im Auto, Smartphone sind für mich unverzichtbar. Auch Fitnessfunktionen integriert in eine Smartwatch nutze ich regelmäßig. Smarte Systeme in Kopfhörern nutze ich beruflich und privat täglich. Zu Hause überwache ich die Luftqualität mit smarten Systemen (nicht immer zur Freude meiner Familie). Als technologiebegeisterter Physiker möchte ich nichts ausschließen: Sobald es eine alltagstaugliche Datenbrille gibt werde ich diese ebenfalls nutzen.
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Unser Gesprächspartner


Stefan Finkbeiner
CEO, Bosch Sensortec GmbH & Chairman EPoSS e. V.

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Weiterführende Links

👉 Zur Bosch Sensortech Website

👉 EPoSS Website

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