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Lieber Pipi statt PISA – das „Land der Ingenieure“ braucht glückliche Kinder statt noch mehr Druck

7. Dezember 2023. PISA, ein Test, den es 22 Jahre gibt, bringt eine gestandene Nation wie Deutschland ins Wanken. Doch statt Lösungen hört man vielerorts nur wilde Polemik und gegenseitige Vorwürfe. Ganz Deutschland versagt in diesen Tagen! Es liegt nicht nur an der Regierung oder den Ministerien. Auch nicht nur an den Schulen, Lehrkräften und Eltern unsere Kinder zu glücklichen und erfüllten Erwachsenen zu entwickeln. Oder wie es aktuell vielerorts nur platt und wohl auch falsch heißt: Kinder „zu dringend benötigten Fachkräften“ zu entwickeln. Wir alle, also auch Unternehmen, Verbände, Parteien, ja die gesamte Gesellschaft sind gefragt. Die Lösungen sind längst vorhanden. Das zeigen viele der Nationen, die vor Deutschland im PISA-Ranking stehen. Dieses Wissen zu ignorieren, statt alles daran zu setzen, es ins „Land der Ingenieure“ zu bringen, ist das eigentliche Problem. Nicht Platz 25 von 81.

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Symbolbild Lernen und Nachwuchs. Foto: pixabay

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„2 mal 3 macht 4, widdewiddewitt, und Drei macht Neune!! Ich mach‘ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt…“. Pipi Langstrumpf war ein Kind mit unterdurchschnittlichen Rechenkünsten. Glücklich und clever war sie trotz dieses „Makels“ umso mehr. Sie wusste immer eine Lösung für Probleme. Sie kam durchs Leben, auch wenn sie ohne Mutter und fern des Vaters allein für sich sorgen musste. Hätte PISA damals Pipi getroffen, es hätte wohl in einer Katastrophe geendet – wahrscheinlich für PISA. Dieses Elend blieb zum Glück beiden Seiten erspart.

Steckt Kinder nicht in Schubladen.

Kinder nur auf Grundlage von Testergebnissen zu bewerten. Sie mit nicht trivialem Wissen und in herausgelösten Fachbereichen ins Schlingern zu bringen. Sie in Kategorien und damit Schubladen zu unterteilen. Und anschließend fleißig über einen Kamm zu scheren. All das bereitet sicher nicht nur Eltern in diesen Tagen heftiges Unbehagen. Die Medien übertrumpfen sich aktuell mit schmissigen Headlines. Doch haben sie sich selbst einmal an den Aufgaben der diesjährigen PISA-Studie versucht? Hier die Möglichkeit für Sie. Ja, Deutschland hat aktuell nicht nur ein Problem mit seinem Lieblingskind, dem Fußball. Auch Deutschlands zweitliebste Kinder werden offensichtlich nicht in einer Art und Weise gefördert, die sie verdienen würden. Stattdessen wird eine ganze Generation an den Pranger gestellt.

Weltspitze braucht mehr als pure Leistung.

Wie beim Thema Fußball ergießt sich ein endloser Schwall an „ich habe es doch schon immer gesagt“, „diese Generation ist nicht mehr das, was frühere einst waren“ und „das hätte es damals nicht gegeben“ über jenen, die am wenigsten dafür können. Jenen 6116 Teilnehmenden, die für Deutschland auf dem PISA-Platz standen und auf verlorenem Posten kämpften. Platz 25 von 81. Keine Weltspitze. Leistungstechnisch im Mittelmaß angekommen. 100 Punkte hinter Spitzenreiter Singapur in Mathe. 63 Punkte zurück im Lesen. 69 Punkte zurück in den Naturwissenschaften. Da tröstet es Politik, Wirtschaft und vor allem den Bildungssektor kaum, dass Nationen wie Frankreich, Spanien und Italien in dieser Weltmeisterschaft ausnahmsweise hinter uns liegen.

So gut wie Singapur (Platz 1), Macau (China, 2) und Chinesisch Taipeh (3) wären wir gern. Länder eben, in denen Lernen scheinbar noch Spaß macht oder zumindest so viel Druck auf Kindern und ihren Zukunftsplänen lastet, dass sie noch bereit sind, sich zu quälen. Hauptsache Weltspitze eben. Sind wir aber nicht! Und nun? Nun ist alles schlecht. Das „Programme for International Student Assessment“, kurz PISA, hat es uns schließlich gezeigt.

Corona ist nicht schuld. Deutschland hat verschlafen.

Seit 2000 führt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OECD) aller drei Jahre dieses Assessment-Center für Pubertierende der 9. Klassen durch. Bis 2012 verbesserten sich in jeder Ausgabe die deutschen Werte. Und wir alle waren stolz. Seit 2012 entwickeln wir uns nun zurück. 2022 sind wir endgültig unter den Werten des Anfangsjahres gelandet und damit statistisch so schlecht wie NIE zuvor (in den vergangenen 22 Jahren). Ein gesamtes Schuljahr liegen Deutschlands Schüler:innen – der neunten Klassen – inzwischen hinter der Weltspitze, heißt es. Ein Skandal! Oder einfach ein Zeichen einer Zeit, die Deutschland und jene die es besser hätten wissen müssen, pomadig verschlafen haben? Stattdessen wird nun Corona als Ausrede benutzt.

Schon 2015 und 2018 waren die Zeichen vorhanden. Das deutsche Bildungssystem schaffte es schon damals nicht, das Optimum – nicht das Maximum – aus seinem aufstrebenden Nachwuchs zu holen. Kinder wollen begeistert werden. Sie wollen ernstgenommen, motiviert und mitgerissen werden. Doch das schafft ein System, das eher auf „das haben wir schon immer so gemacht“ anstatt auf „daran haben wir ja noch nie gedacht“ setzt, nun einmal nicht. Vielerorts fehlen Lehrkräfte. Die vorhandenen arbeiten am Rande der Leidensgrenze und kommunizieren seit Jahren, dass mehr von ihnen benötigt werden. Quereinsteigende stopfen nicht selten die klaffenden Personallücken. Raum zur kreativen Entfaltung bleibt in dieser Gemengelage selten. „Abarbeiten und Durchhalten“, lautet stattdessen die Divise. Milliarden wurden zudem für die „Digitalisierung des Bildungssektors“ versprochen und bereitgestellt. Ohne richtigen Plan, ohne Strategie passierte im Anschluss wenig. Einzelne Schulen, wie unsere Partner-Gymnasien – das Martin-Andersen-Nexö-Gymnasium Dresden (MANOS) und das M.I.T. Gymnasium Dresden-Pieschen – zeigen, was unter diesen Voraussetzungen möglich ist, kämpfen aber ebenfalls mit dem Lehrkräftemangel.

Lösungen sind reichlich vorhanden. Sie müssen nur den Weg in die Schulen finden.

Die Universitätsschule Dresden und hier angesiedelte Projekte wie „Schule bewegt Sachsen“ präsentieren Lösungen für die aktuellen Herausforderungen im Bildungssektor. Doch wie in einem guten Netzwerk bedarf es der Kooperation, der Zeit und nicht zuletzt der wirtschaftlichen Voraussetzungen, um das, was möglich ist, auch möglich zu machen. Bei Bildung sollte es jedenfalls nie darum gehen, besser als andere zu sein. Es sollte darum gehen, das Beste werden zu können, was in jedem von uns steckt. Ob am Ende eine Ingenieurin, ein Kindergärtner, ein Informatiker oder eine Mechatronikerin den Arbeitsmarkt bereichert, spielt keinerlei Rolle. Hauptsache Fachkraft. Hauptsache glücklich in der Profession, die einem täglich das Einkommen beschert, das Frau oder Mann zum Leben braucht.

Und genau hier muss die Schule von heute und morgen ansetzen. Auch Organisationen wie die OECD sind gefragt. Anstatt Ländervergleiche voranzutreiben, die die moderne Welt nicht braucht, sollte lieber der Austausch zwischen den Bildungsnationen gefördert werden. Sollten Systeme entwickelt werden, die Kindern und Jugendlichen, egal welcher Nationalität, Religion oder „wirtschaftlichen Kaste“ die gleichen Möglichkeiten bieten. Die ihnen jenen Weg zum Glück aufzeigen, den jedes Kind verdient. Dass Kinder mit finanziell besser situierten Eltern mehr Erfolge feiern, als Kinder finanziell schlechter aufgestellter Elternteile, sollte uns allen zu denken geben. Dass Mädchen in MINT-Fächern nicht so überzeugen wie Jungen ist nicht minder ein Armutszeugnis – wohlgemerkt für uns als Nation und den gesamten Bildungssektor.

Das „Land der Ingenieure“ muss den Cleveren und Engagierten die Bühne bieten.

Bildung ist kein Hexenwerk. Und wenn jene fragwürdige PISA-Studie etwas Gutes hat, dann den Fingerzeig, welche Nationen in der Vergangenheit und Gegenwart ihre Hausaufgaben gemacht haben. Welche Nationen in der Lage sind, Kinder zu entwickeln. Herauszufinden, ob diese Wege wirklich ins Glück führen, ist eine Herausforderung, die dennoch bleibt. Ziel sollte es jedenfalls niemals sein, Kinder im industriellen Stil über das Bildungsfließband hin zur am dringendsten gebrauchten Fachkraft zu treiben.

Das „Land der Ingenieure“, und das muss allen bewusst sein, hat clevere Kinder! Es scheitert aktuell nur daran, sie zu glücklichen, erfüllten und ihren Fähigkeiten entsprechend aufblühenden Erwachsenen zu entwickeln. Doch für diese Erkenntnis braucht es nicht PISA, sondern nur den Blick in die vielen redlich für ihre Schüler:innen kämpfenden Schulen unseres Landes. Dass es in Deutschland reichlich engagierte und motivierte Menschen in Schulen, Unternehmen, Parteien, Ministerien und Verbänden gibt zeigen u.a. Projekte wie unser „Programmieren mit Calliope mini“. Hier engagieren sich bereits zahlreiche Ehrenamtliche, mit Unterstützung jener genannten Player, um neues Wissen auf spannende Art in unsere Grundschulen zu bringen.

Zudem bot unser Podcast „Hallo Zukunft“ klugen und engagierten Menschen eine Plattform, um zum Thema „Gestalten statt konsumieren – wie machen wir unsere Kinder digital fit?“ längst vorhandene Lösungen und Konzepte aufzuzeigen. Andreas Koch (CEO, Code it!), Kerstin Ines Müller (Direktorin, M.I.T.-Gymnasium Dresden-Pieschen), Heike Wilson (Geschäftsführerin, DUALIS GmbH IT Solution) und Steve Federow (Workforce Development Lead, GlobalFoundries) legten den Finger in die „deutsche Bildungswunde“. Machten klar, wo Lücken und Hürden unseres Bildungssystems bestehen. Aber auch, wie digitale Bildung funktioniert, wer bei der Bildung unserer Kinder beteiligt sein muss und wie Schule zukünftig funktionieren kann.

Heiße Empfehlungen also, nicht nur für all jene, die die undankbare Aufgabe haben, endlich das anzugehen, was viel zu lange verschlafen wurde: Das Glück und der Erfolg unserer Kinder.

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Weiterführende Links

👉 Podcast „Hallo Zukunft“
👉 Projekt „Programmieren mit Calliope mini“

Foto: pixabay

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