Mikroelektronik

Kommentar: Zieht China beim Gallium-Export den Stecker aus der globalen (GaN) Chip-Produktion?

Seit August 2023 werden für die Ausfuhr von Gallium und Germanium aus China spezielle Lizenzen benötigt. Welche Auswirkungen hat dies auf die deutsche und weltweite Mikroelektronikproduktion? Wo werden diese immer wichtigeren Rohstoffe noch gefördert? Drohen nun neue Halbleiter-Engpässe und eine Ausweitung des globalen „Chip Krieges“? Diese und weitere Fragen beantwortet Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Silicon Saxony, in einem Kommentar.

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Gallium (chemisches Kurzzeichen Ga) ist in der Kombination mit Materialien aus der 5. Hauptgruppe des Periodensystems als sogenanntes III-V Halbleitermaterial (z.B. Galliumnitrid, Galliumphosphid, Galliumarsenid) seit vielen Jahren bekannt. In den letzten Jahren ist es auch sehr erfolgreich in der industriellen Anwendung im Einsatz.

Neben Siliziumkarbid kommt vor allem Galliumnitrid dabei neben dem klassischen Silizium als Rohstoff vor allem dort in der Halbleiterproduktion zum Einsatz, wo die Endprodukte, also die entsprechenden Chips, im Zusammenhang mit sehr großen Strömen und/oder sehr hohen Frequenzen benötigt werden – also zum Beispiel in den Bereichen Elektromobilität oder 5G. Stark vereinfacht sind sie hier sehr viel leistungsfähiger, vor allem im Hinblick auf die Energieeffizienz.

Eine etwas ausführlichere Beschreibung dazu findet sich, ebenso wie das Bild, das im Original von OnSemi, einem der Akteure im Bereich SiC und GaN stammt, in diesem Artikel von Nicole Ahner auf all-electronics.

Inwiefern China selbst in letzter Instanz von Importen entsprechender Produkte abhängig ist, ist dabei umstritten. Während IFRI noch eine große Abhängigkeit Chinas vor allem von Endprodukten sieht, verfügt das Land zweifelsfrei bereits über Akteure mit den notwendigen Kompetenzen im weiter wachsenden Markt.

Wichtige Akteure auf deutscher Seite sind zum Beispiel die Freiberger Compound Materials und Siltronic für die Waferproduktion. Bei den Chipherstellern hatte Infineon zuletzt mit der Akquisition der kanadischen GaN Systems seine Wachstumspläne in diesem Bereich untermauert.

Das für die Produktion benötigte Gallium wird einerseits in Rohform vor allem in Kombination mit Bauxit (bekannt vor allem im Zusammenhang mit Aluminiumproduktion) gewonnen (Primärgallium) und anschließend aufbereitet bzw. gereinigt. Ein Teil wird auch jetzt schon über Recycling, zum Beispiel von defekten Wafern, gewonnen. Vor allem die Produktion bzw. Gewinnung von Primärgallium ist dabei aktuell vor allem in China konzentriert.

Auch in Deutschland ist man sich des Themas an einigen Stellen mindestens seit 2016 bewusst. Aus diesem Jahr stammt nämlich ein Steckbrief zum Thema von der BGR, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Dieser beleuchtet nicht nur die Herkunft des Materials, sondern auch dessen Verwendung.

BGR und DERA, die Deutsche Rohstoffagentur, wiesen daher auch direkt nach der Ankündigung der Exportkontrollen auf das Risiko in einer Pressemitteilung hin.

Besonders interessant in diesem Zusammenhang ist die Analyse aus dem Jahr 2018.

Auch auf EU-Ebene ist die Abhängigkeit von Primärgallium nichts Neues. Informationen finden Sie hier zum Beispiel auf der Seite des EU-Projektes SCRREEN bzw. dem Factsheet zu Gallium.

Auch in den USA weisen offizielle Dokumente auf eine 100% Abhängigkeit von Ga-Importen hin, ganz konkret in diesem Dokument des U.S. Department of the Interior


Interessanterweise steht dort Deutschland noch als Importquelle, was eventuell aber sogar auf einen veralteten Datenbestand zurückzuführen ist, da die letzte deutsche Galliumproduktion in Stade bei Hamburg vor einigen Jahren eingestellt wurde.

Prinzipiell ist man sich aber der Thematik auch in den USA bewusst, siehe hier die Daten aus 2023 vom USGS:

Spannend ist dennoch, dass offenbar kein „government stockpile“ existiert.

Diese Einschätzung beruht vor allem auf der Tatsache, dass vor allem Galliumnitrid (GaN) auch in der militärischen Nutzung durchaus eine bedeutende Rolle spielt, wie diese Publikationen vom Department of Defense bzw. der DARPA belegen.

Während deutsche und europäische Medien die Einführung der Exportkontrollen zum Teil als Antwort auf verschärfte Exportbedingungen von ASML bzw. als einen Angriff auf den Green Deal der EU sehen, ist es zweifelsfrei eine Verschärfung des im Wesentlichen zwischen den USA und China geführten sogenannten Chip War. Während im gleichnamigen Buch von US Autor Chris Miller (unbedingte Leseempfehlung!) die nationale Sicherheit eine wesentliche Rolle bei jeglichen Abwägungen spielt, argumentiert auch die chinesische Regierung aktuell in dieser Richtung.

Was bedeutet dies nun für die globale Produktion? Kurzfristig wird man abwarten müssen, wie streng die Lizenzvergabe erfolgt – im schlimmsten Fall ist mit signifikanten Preiserhöhungen für entsprechende Produkte zu rechnen. Mittelfristig ist zu erwarten, dass auch außerhalb Chinas wieder in Galliumproduktion investiert wird – direkt nach der Ankündigung hatte zum Beispiel das belgisch-niederländische Unternehmen Nyrstar entsprechende Überlegungen geäußert.

Auch in Stade dürfte es sicherlich Überlegungen geben, ebenso wie an einigen anderen Standorten in Europa, in denen es aktuell noch eine Aluminiumproduktion gibt.

Fazit

Im Moment hängt man bei der Primärproduktion von Gallium quasi am chinesischen Tropf, für den nun auch ein Regler eingebaut wurde. Wie hart geregelt wird, bleibt abzuwarten. In Sinne des vielbeschworenen De-Risking sollten nun schnellstmöglich auch außerhalb Chinas wieder entsprechende Kapazitäten aufgebaut werden. Im Sinne der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wäre dabei mindestens eine abgestimmte Zusammenarbeit zwischen den USA und Europa wünschenswert.

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Dieser Artikel ist erstmalig im Rahmen unseres Magazins NEXT „Im Fokus: Mikroelektronik“ erschienen.

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