Mikroelektronik

Eine Reise quer durch das Periodensystem – die Materialien der Zukunft

Die digitale Revolution erfasst immer breitere Segmente der Gesellschaft, könnte aber ohne moderne Halbleiter in hinreichenden Mengen ganz schnell ins Stocken geraten. Um dafür immer schnellere und bessere Chips zu entwickeln, die in ihrem Stromhunger nicht gleich die dringend benötigte Energiewende zunichtemachen, sind neue Materialien jenseits des klassischen Siliziums unerlässlich.

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Die Zahl der für die Mikroelektronik wichtigen Stoffe ist in den letzten 25 Jahren explodiert.

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Die digitale Revolution erfasst immer breitere Segmente der Gesellschaft, könnte aber ohne moderne Halbleiter in hinreichenden Mengen ganz schnell ins Stocken geraten. Um dafür immer schnellere und bessere Chips zu entwickeln, die in ihrem Stromhunger nicht gleich die dringend benötigte Energiewende zunichtemachen, sind neue Materialien jenseits des klassischen Siliziums unerlässlich.
Sie blocken Leckströme, also unerwünschte Stromverluste, sorgen für energieeffiziente Rechenkraft u.a. für den mobilen Einsatz und ebnen Ökoenergie aus Wind- und Sonnenkraftwerken den Weg in die Netze.
„Noch vor etwa 25 Jahren war die Zahl der Stoffe, die für die Mikroelektronik wichtig waren, sehr übersichtlich“, skizziert Nanoelektronik-Professor Thomas Mikolajick von der TU Dresden diesen Trend. „Seither ist diese Zahl regelrecht explodiert und die Halbleitertechnologie hat sich auf einen großen Teil des Periodensystems ausgedehnt.“ Darunter sind einige Elemente und Verbindungen, an die die Branche besonders viele Hoffnung für die nahe Zukunft knüpft – hier eine kleine „Tour d’Horizon“:


Metalloxid Halbleiter wie Indiumzinnoxid (ITO) und Indium-Gallium-Zink-Oxid (IGZO)

Sie gelten als Hoffnungsträger für die dreidimensionalen Logik- und Speicher-Schaltkreise der übernächsten Generation. Als transparente Verbindungshalbeiter sind sie bereits seit Jahren beispielsweise in der Solarzellen- und Bildschirmfertigung im Einsatz. Diese Metalloxide eignen sich aber auch für das 3D-CMOS-Konzept. Das wird nach Expertenschätzungen in etwa fünf bis zehn Jahren in den Fokus der Halbleiterindustrie rücken, wenn sie vor dem Vorstoß in die Sub-Nanometer-Welt steht. Dann könnten ITO und IGZO den Schlüssel für dreidimensional übereinandergestapelte Transistorebenen liefern. 3D-Architekturen gibt es zwar schon für einzelne Transistoren wie den FinFET oder für Speicher in USB-Sticks, nicht aber für komplexe Logikschaltungen. An den Technologien forscht vor allem das Imec in Belgien, aber auch die TU Dresden.

Vorteil

  • bei niedrigen Temperaturen prozessierbar – wichtig für den Schichtaufbau!

Nachteil

  • anders als Silizium sind diese Metalloxide keine Einkristalle, ihre Ladungsträger-Beweglichkeit ist niedriger – sprich: womöglich wird es schwerer, hohes Schalttempo zu erreichen

Anwendungen

  • ochintegrierte Elektronik für autonome Autos, Smartphones, Rechenzentren, Steuerelektronik in Fabriken etc.


Magnetische Stapel mit Materialien wie  Kobalt-Eisen-Bor- oder Iridium-Platin-Verbindungen,  Magnesiumoxid etc.

Sie sollen preiswertere und leistungsfähigere Speicherzellen ermöglichen.

Vorteile

  • schnelle Speicherfähigkeit
    niedrige Spannung

Nachteile

  • Abscheidung der Materialien ist aufwendig und teuer
    Industrie hat noch wenige Erfahrungen damit gesammelt

Anwendungen

  • in Logikschaltkreise oder andere komplexe Systeme eingebettete Speicherzellen


Tantaloxide und amorphes Hafniumoxid

Sie eignen sich für Memristoren. Das ist Elektronik, die sich frühere Zustände „merkt“, also gewissermaßen „Erfahrungen sammelt“. Panasonic und TSMC produzieren bereits derartige Speicher.

Vorteil

  • preiswert

Nachteile

  • hält nur eine relativ niedrige Zahl an Schaltzyklen aus
    Industrie hat noch wenige Erfahrungen damit gesammelt

Anwendungen

  • derzeit vor allem als preiswerte Alternative zu Flash-Speicherzellen gefragt
    perspektivisch als Hardware für bestimmte Rechenaufgaben der Künstlichen Intelligenz (KI)


Kristallines Hafniumoxid

… ist in seiner orthorombischen Version (Kristall mit drei senkrechten Achsen) ein ferroelektrisches Material und ein Hoffnungsträger für schnelle Speicher und KI-Hardware. Der Durchbruch gelang vor allem in Dresden: einst bei Qimonda und dann im NaMLab der TU, im Fraunhofer CNT und in der „NaMLab“-Ausgründung „FMC“.

Vorteile

  • als Speicher in Leistung und Effizienz ein Quantensprung im Vergleich zum Flash
  • einfach in existierende CMOS-Prozesse integrierbar

Nachteile

  • verträgt nur ein paar Millionen Schaltzyklen
  • im Vergleich zu MRAM relativ hohe Spannung (etwa 3 Volt)

Anwendungen

  • sehr schnelle Speicher mit sehr niedrigem Stromverbrauch
  • perspektivisch: neuromorphes Computing für Künstliche Intelligenz


Siliziumkarbid und Galliumnitrid

Beide sind Halbleiter mit hoher Bandlücke zwischen den äußersten Elektronenbändern. Dadurch vertragen sie höhere Spannungen und stärkere Ströme als gewöhnliche Silizium-Bauelemente und setzen Strom weniger Widerstand entgegen. In Sachsen stellt unter anderem das X-FAB -Werk in Dresden Galliumnitrid-Halbleiter her.

Vorteile

  • hohe Sperrpannung bis zu mehreren Tausend Volt
  • wenig Widerstand im eingeschalteten Zustand
  • verträgt starke Ströme

Nachteile

  • komplexere Technologie als Silizium
  • Dotierung ist anspruchsvoll
  • Kristalle lassen sich nur schwer züchten – daher bei Galliumnitrid (GaN) bisher meist Schichtaufbau auf Silizium-Wafern

Anwendungen

  • Leistungselektronik der neuesten Generation, zum Beispiel Gleich- und Wechselrichter in Solar- und Windkraftwerken, Trafos und anderen Energieanlagen, Netzanschlussgeräte für Konsumgüterelektronik, elektrische Schienenfahrzeuge
  • GaN ist in „High Electron Mobility“-Transistoren (HEMT) auch für Hochfrequenztechnik geeignet


Gallium-Arsenid

Gallium-Arsenid wird bereits seit Jahren für Hochfre
quenz-Elektronik verwendet. Der Einsatz als Material für Leistungselektronik ist noch recht neu. Denkbar ist, damit eine Nische zwischen Silizium im unteren Leistungsspektrum und Siliziumkarbid beziehungsweise Galliumnitrid auf der anderen Seite abzudecken. Sachsen gilt als wichtiger Standort für die Gallium-Arsenid-Halbleitertechnologie. Zu den Pionieren gehören hier die Freiberger Compound Materials (FCM) und die „3-5 Power Electronics“ aus Dresden.

Vorteile

  • größere Bandlücke als beim Silizium
  • höhere Ladungsträger-Beweglichkeit beim Silizium – dadurch hohes Schalttempo möglich

Nachteile

  • komplexere Technologie als Silizium

Anwendungen

  • neben den Klassikern wie LEDs und Hochfrequenztechnik sind auch Leistungselektronik-Dioden zum Beispiel für Elektroauto-Ladesäulen in den Blick gerückt

Galliumoxid

Galliumoxid könnte nach Siliziumkarbid und Galliumnitrid die nächste Generation von Leistungselektronik ermöglichen. Diese Technologie befindet sich aber noch in der Forschungsphase.

Vorteil

  • würde noch höhere Spannungen und stärkere Ströme vertragen. Grund: Die Bandlücke zwischen Valenz- und Leitungselektronenband ist hier mit 4800 Elektronenvolt (eV) noch größer als bei Silizium (1100 eV), Galliumarsenid (1400 eV) und sogar als bei Galliumnitrid (3000 eV)

Nachteil

  • noch keine einsatzreife Technologie

Anwendung

  • Leistungselektronik der nächsten Generation


Fazit

Hightech-Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Sachsen beschäftigen sich mit mehreren dieser vielversprechenden Materialentwicklungen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt unter anderem in der Leistungselektronik. Zu den Leuchttürmen gehören in diesem Segment beispielsweise in Freiberg ein Galliumnitrid-Forschungszentrum sowie Freiberger Compound Materials (FMC), außerdem das NaMLab der TU Dresden, die Leistungselelektronik-Produktion von Infineon, die Galliumnitrid-Linie von X-FAB in Dresden und andere mehr.


Dieser Artikel ist erstmalig im Rahmen unseres Magazins NEXT "Im Fokus: Mikroelektronik" erschienen. Zur Gesamtausgabe des Magazins Weitere Artikel: Computingtrends: Quantencomputer, neuromorphe Rechner und abhörsichere Telefonie Deutschlands Mikroelektronik-Landschaft – Das Halbleiterherz Europas schlägt hier European Chips Act: Gut, aber gut genug?

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