Der Ursprung smarter Systeme
Die Wurzeln smarter Systeme reichen bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurück, als erste Ansätze zur Automatisierung und Vernetzung von Geräten und Systemen entstanden. Drei wichtige Technologien haben hierbei zur Entwicklung smarter Systeme beigetragen:
- Entwicklung Mikroelektronik als Basis der Computertechnologie
- Entwicklung Mikrosystemtechnik
- Entwicklung moderner Kommunikationstechnik
1. Entwicklung der Mikroelektronik als Basis der Computertechnologie
Mit der Erfindung des Transistors (1947) und der Realisierung der ersten integrierten Halbleiterschaltungen 1958 sowie der Entwicklung von Mikroprozessoren in der 1970er Jahren ist eine dramatische Entwicklung der gesamten Elektronik eingeleitet worden. Seither hat sich die Elektronik fast vollständig zu einer Halbleiter-Elektronik gewandelt. Mikroelektronische Schaltungen zeichnen sich gegenüber konventionellen elektronischen Schaltungen durch zwei Hauptmerkmale aus: die Integration und die Miniaturisierung. Das ist nicht nur die Basis für die Computertechnologie sondern auch für smarte Systeme, um Daten zu verarbeiten, zu speichern und darauf zuzugreifen.
2. Entwicklung der Mikrosystemtechnik
Halbleiterwerkstoffe und mikroelektronische Fertigungsverfahren werden auch für nichtelektrische Komponenten angewendet. Nachdem 1962 erstmalig eine Siliziumscheibe mit integrierten Piezowiderständen als mechanischer Deformationskörper verwendet wurde, sind bis zum heutigen Tage unzählige neue miniaturisierte Funktions- und Formelemente, Komponenten und Herstellungsverfahren für die Mikromechanik, Mikrofluidik und Mikrooptik entwickelt worden. Dabei stehen vorrangig miniaturisierte Sensoren und Aktoren im Vordergrund der Entwicklung. Alle diese Mikrosysteme haben typische Strukturgrößen im Mikrometer- und Nanometerbereich und bestehen aus mehreren Komponenten. Die Gesamtfunktion wird nur durch das Zusammenwirken der einzelnen Bestandteile als komplexe miniaturisierte Einheit erfüllt. Folglich sind Mikrosysteme sind ein wesentliche Grundlage smarter Systeme.
3. Entwicklung moderner Kommunikationstechnik
Während die ersten smarten Systeme ausschließlich drahtgebunden ihre Signale von einer Komponente zur anderen übertragen haben, ist mit der dramatischen Weiterentwicklung drahtloser Kommunikation die dezentrale Datenanalyse Standard geworden. Moderne Kommunikationsstandard erlauben heute sowohl die energieeffiziente Übertragung im Nahbereich – beispielsweise über Bluetooth LE – als auch höchste Datenraten mit geringer Latenz über das 5G Mobilfunknetz. Smarte Systeme sind damit heute fast immer in der Lage, eine Cloud-Infrastruktur zu nutzen und auf zentrale Daten, Speicherplatz, Rechenkapazität und Anwendungen zuzugreifen. Andererseits wird durch die zunehmende Vernetzung smarter Systeme und ihrer Komponenten auch ermöglicht, die Verarbeitung insbesondere zeitkritischer Daten wieder näher am Sensor durchzuführen und dennoch die Vorteile des Cloud Computing zu nutzen. Der optimale Kompromiss zwischen zentraler („Cloud Computing“) und dezentraler („Edge Computing“) Datenverarbeitung unter Gewährleistung einer sichereren, zuverlässigen und kosteneffizienten Kommunikation ist heute eine zentrale Herausforderung in Anwendungen des Internets der Dinge.
Das erste smarte System
Das wirklich erste smarte System lässt sich nicht auf einen einzigen Punkt festlegen, da die Entwicklung schrittweise erfolgte und sich über verschiedene Bereiche erstreckte. Es gab jedoch wichtige Meilensteine und Vorgänger heutiger smarter Systeme:
Das Konzept des „Homes of the Future“ wurde bereits in den 1950er Jahren vorgestellt. Automatisierte Haustechnik wie automatische Türöffner, programmierbare Thermostate und ferngesteuerte Beleuchtung können hier als erste Formen smarter Systeme betrachtet werden.
In den 1980er Jahren wurde das Konzept der „Smart Homes“ weiterentwickelt. Beispielsweise entwickelte die Firma X10 eine Technologie zur drahtlosen Steuerung von Haushaltsgeräten und Beleuchtung über das Stromnetz.
Generell unterscheidet man bei smarten Systeme derzeit drei Generationen. Während die erste Generation der 1980er,1990er Jahre vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass sie aus einer bestimmten Anzahl von einzeln gehäuster Komponenten / Devices bestehen, die z.B. auf einer Leiterplatte verbunden sind. Sie werden nach wie vor in medizinischen Anwendungen wie Hörgeräten und Herzschrittmachern sowie in Automobilanwendungen wie Airbagsystemen oder elektronischen Stabilisierungssystemen verwendet.
Smarte Systeme der zweiten Generation sind bereits multifunktionale Sensor- und Aktorsysteme. Sie gehen über die einfache Signalverarbeitung hinaus und werden zu prädiktiven und reaktiven Systemen, die mit Selbsttestfunktionen ausgestattet sind. Daher sind sie in der Lage, sich an kritische Umgebungen anzupassen. Sie arbeiten bereits partiell autonom.
Die Einführung des „Internet of Things“ (IoT) in den 1990er Jahren war dazu ein wichtiger Meilenstein. IoT ist die Grundlage dafür, dass Geräte über das Internet miteinander verbunden sind und Daten austauschen. Das wiederum ermöglichte die Entwicklung von intelligenten Geräten, die miteinander kommunizieren können.
Mit dem Aufkommen des Internets in den 1990er Jahren und der rasanten Entwicklung von Sensoren, Datenanalyse und künstlicher Intelligenz gewannen smarte Systeme zunehmend an Fahrt. Die Möglichkeit, Geräte und Systeme miteinander zu verbinden und Daten in Echtzeit zu analysieren, eröffnete völlig neue Horizonte für Innovationen und Effizienzsteigerungen.
Seitdem hat sich die Entwicklung smarter Systeme vor allem durch immer schnelleren Datenanalyse und moderner Sensorik beschleunigt. Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in smarte Systeme und mittlerweile auch die einzelnen Bestandteile dieser Systeme verspricht nun, den bisherigen Fortschritt exponentiell zu beschleunigen. Das ist die Basis für smarte Systeme der dritten Generation. Diese sind in der Lage, komplexe menschliche Wahrnehmungs- und Erkenntnisfunktionen zu übernehmen, selbstorganisierende Netzwerke aufzubauen und völlig energieautark zu arbeiten. Daher werden sie unabhängig handeln und benötigen nicht unbedingt menschliche Kontrolle oder Entscheidungen. Es handelt sich also um autonome Systeme, die das Schlüsselelement für die Verknüpfung der physischen mit der virtuellen Welt darstellen werden.
Heute finden wir bereits derartige smarte Systeme in Bereichen wie Hausautomatisierung, Gesundheitswesen, Logistik und Industrie 4.0.
Die Halbleiterindustrie als smarter Vorreiter in der Produktion
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den Einsatz smarter Systeme im Produktionsumfeld ist die Halbleiterfertigung. Zu den Merkmalen der Mikroelektronikbranche gehören ein kontinuierliches, aber oft zyklisches Wachstum mit hoher Volatilität und eine stark arbeitsteilige Produktion an vielen weltweit verteilten Standorten. Entsprechend groß ist der Innovations- und Kostendruck der europäischen und hier speziell der deutschen Standorte (wie Sachsen), dem diese durch eine hohe Automatisierung begegnen. So zählen beispielsweise die Dresdner Halbleiterfabriken von Infineon und GlobalFoundries nicht nur zu den größten Fabs weltweit, sondern auch zu jenen mit dem höchsten Automatisierungsgrad (bis zu 100 Prozent).
Inzwischen gehört hier der Einsatz von smarten Systemen und künstlicher Intelligenz zur vorausschauenden Wartung von Produktionsanlagen, zur Überwachung der Produktqualität bzw. zur Automatisierung von Logistikprozessen zum Standard. Viele dieser Innovationen werden in Kooperation mit den Hightech-Unternehmen des Standortes Sachsen gemeinsam entwickelt. Die Halbleiterindustrie und insbesondere die Region Silicon Saxony sind damit ein wichtiger Motor und technologischer Wegbereiter für die gesamte elektronische Wertschöpfungskette.
Smarte Systeme entwickelt und erforscht im Silicon Saxony
Smarte Systeme bestehen aus verschiedenen Komponenten und Modulen, beinhalten Hardware und Software. Die Kommunikation der einzelnen Bestandteile miteinander und mit der Umgebung ist integriert. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist dabei der Schlüssel zu erfolgreichen Entwicklungen.
Kernkomponenten eines Smarten Systems sind Sensoren und Aktoren. Speziell auf diesem Gebiet sind auch die Unternehmen im Silicon Saxony Vorreiter. Firmen wie Robert Bosch, Infineon Technologies, ST Microelectronics, NXP, ams OSRAM, Bosch Sensortec oder X-FAB sind führende Hersteller von Komponenten und Systemen des Bereiches – und alle im Silicon Saxony aktiv. Darüber hinaus sind KMUs in der Entwicklung und Fertigung von smarten System aktiv. Teilweise arbeiten sie mit eigen Designs von Sensoren und Aktoren, die z.B. bei der X-FAB gefertigt werden.
Auch im Bereich Software als unverzichtbaren Enabler sind mittlerweile wichtige Player am Standort zu finden. Die Zusammenarbeit zwischen großen Software-Unternehmen wie SAP oder Telekom MMS sowie innovativen Start-ups, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gewinnt hierbei zunehmend an Bedeutung.
Beide Bereiche – also Hard- und Software – werden in ihren Ökosystemen durch exzellente Forschungseinrichtungen der Grundlagenforschung und angewandten Forschung, wie der Forschungsfabrik Mikroelektronik, sowie der Exzellenzuniversität TU Dresden und vielen weiteren Hochschulen in der Region unterstützt. Auch die Kooperation mit den internationalen Forschungszentren wie dem CEA-LETI, IMEC, VTT, u.a. trägt dazu bei.
Nicht zu vergessen sind die Beiträge sächsischer Unternehmen und Forschungseinrichungen im Bereich der Kommunikation und Netzwerktechnik. Als Vorreiter gelten hier beispielsweise die TU Dresden sowie Firmen wie 5G Lab, CampusGenius, LoRaTo, UIT, ZIGPOS und viele andere.
Ausblick in die Zukunft der smarten Systeme
Die Zukunft smarter Systeme ist vielversprechend. Mit dem weiteren Fortschritt von künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und fortschrittlicher Robotik werden smarte Systeme noch intelligenter, anpassungsfähiger und autonomer. Die Zukunft wird eine nahtlose Integration smarter Technologien in unser tägliches Leben bringen, um Effizienz, Komfort und Sicherheit weiter zu steigern.
Fazit
Smarte Systeme haben eine bemerkenswerte Reise hinter sich und befinden sich jetzt an einem Punkt, an dem sie unsere Art zu leben, zu arbeiten und zu interagieren grundlegend verändern können. Mit fortschreitender Technologieentwicklung und der Einführung innovativer Lösungen steht uns zweifelsohne eine aufregende Zukunft bevor, in der smarte System eine noch größere Rolle spielen werden. Diese Entwicklung aktiv gestalten zu können, ist eine besonders wichtige und spannende Aufgabe unseres Netzwerkes. Grundlegende Aspekte, wie (Daten)-Sicherheit, Sicherheit der Systeme, Schonung von Ressourcen, CO2-Neutralität und Nachhaltigkeit in all‘ ihren Facetten hierbei ebenfalls mitzudenken, mehr als nur eine Pflicht in diesem Gesamtprozesses.
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Autor:innen
Dr. Martina Vogel
Leiterin Arbeitskreis Smart Systems & IoT, Fraunhofer ENAS
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Christoph Kögler
Leiter Arbeitskreis Smart Systems & IoT, Infineon Technologies Dresden
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