Ein Kommentar von Frank Bösenberg, Geschäftsführer des Silicon Saxony.
Für einige Aufregung sorgte in den letzten Tagen die Aussage von Professor Reint E. Gropp, Präsident des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Er sieht nämlich die Subventionen, insbesondere jene für die neuen Chipwerke von Intel in Magdeburg und Infineon in Dresden, als Geldverschwendung.
Die Aussage ist – bei aller berechtigten Kritik und Diskussion über Subventionen allgemein – von einer für einen Mann in seiner Position erstaunlichen Kurzsichtigkeit und Eindimensionalität geprägt. Warum? Zunächst einmal bezieht sich die Kritik vor allem auf „Ostdeutschland“, konkret die oben genannten Werke mit bisher angekündigten 7,8 Milliarden Zuschüssen (6,8 Milliarden EUR, Intel bzw. 1 Milliarde Euro, Infineon). Neben der Vernachlässigung von Clustereffekten in bzw. für den Großraum Dresden, die zumindest nach amerikanischer Sichtweise durchaus bis Magdeburg reichen, bleibt das Saarland – immerhin ebenfalls mit einem Zuschuss von einer Milliarde für Wolfspeed bedacht – unerwähnt.
Ein Blick über den Tellerrand der Branche zeigt, welche Gefahr der von Gropp als Alternative geforderte „billige Einkauf aus anderen Regionen“ mit sich bringt. Dieser Weg, den Deutschland und Europa über viele Jahre für die Solarbranche eingeschlagen haben, droht nun, zur Gefahr für die Energiewende zu werden.
Eine Kritik nur an China würde aber zu kurz greifen – auch die USA haben mit dem Chips Act sowie dem Inflation Reduction Act ganz klar die Stärkung der heimischen Produktion in strategisch wichtigen Branchen wie Mikroelektronik oder Solar im Blick – unter Nutzung von Milliarden von Steuergeldern. Dies kann man unter markliberalen Gesichtspunkten kritisieren. Auch die Frage, ob man einen solchen Subventionswettlauf gewinnen kann, ist berechtigt. Es gilt hier jedoch wie in anderen Bereichen: Wer kämpft, kann verlieren – wer aufgibt, hat bereits verloren.
Auch der Vorschlag, anstatt in Produktion doch in Forschung und Entwicklung zu investieren, gleicht dem an einen Ruderer, statt des linken doch stärker das rechte Blatt zu nutzen. Nur durch eine Produktion in der eigenen Einflusssphäre kann sichergestellt werden, dass vielversprechende Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung schnell wirtschaftlich verwertet werden können.
Die Forderung nach weiterer Stärkung von Forschung und Entwicklung ist daher selbstverständlich richtig und wichtig – nicht umsonst ist das US-Vorbild der CHIPS and Science Act. Und auch im EU Chips Act sind F&E unter dem Dach der CHIPS JU vorgesehen – beide Seiten der gleichen Medaille erhielten in der vergangenen Woche die breite Zustimmung des europäischen Parlaments.
Einen Überblick über die weltweiten Subventionen hatten wir bereits letzten Herbst in unserer NEXT zusammengestellt. Dort noch nicht enthalten, war ein weiterer möglicher Ansatz – den kompletten Wiederaufbau einer heimischen (leading edge, also sub 10nm) Produktion in Form eines Joint Ventures, wie ihn Japan mit Rapidus nun gehen will. Auch hierfür werden jedoch Steuergelder benötigt – und auch hier stehen schwindelerregende Summen im Raum – 54 Mrd. Dollar, um konkret zu sein – in etwa so viel wie für den gesamten EU Chips Act geplant ist.
Ein anderer Aspekt ist noch wichtig – volkswirtschaftlich zahlen sich die Subventionen aus, nicht nur weil die direkten Arbeitsplätze in den Halbleiterfabriken ein Vielfaches an gut bezahlter Beschäftigung in der ebenfalls in den Regionen ansässigen Zulieferindustrie bedeuten.
Wenn du Frieden willst, bereite dich auf den Krieg vor – die alte lateinische Redewendung hat bedauerlicherweise nichts an Aktualität verloren. Leider gilt dies aber nicht nur für den engeren militärischen Kontext. Das Buch „Chip War – The Fight for the World’s Most Critical Technology“ beschreibt eindrücklich die globale Situation von den Anfängen der Mikroelektronik bis zu den jüngsten technologiepolitischen Auseinandersetzungen zwischen den USA und China.
Der eingeschlagene europäische Weg zu mehr Technologiesouveränität, auch und insbesondere in der Mikroelektronik, sowohl für Forschung und Entwicklung als auch für Produktion, ist richtig und wichtig. Es gilt nun, ihn konsequent und zügig weiter zu beschreiten, auch wenn er ab und zu steinig sein sollte. Nur mit einer starken heimischen – und in diesem Fall ist immer ganz Europa, nie nur Deutschland, Ostdeutschland oder gar nur Sachsen gemeint – Mikroelektronikindustrie können die Chancen, die sich aus den aktuellen Transformationsaufgaben wie Digitalisierung und Dekarbonisierung ergeben, genutzt werden – bzw. entsprechende Risiken wenigstens teilweise verringert werden. Der Blick über den Tellerrand von sowohl Branche als auch Region zeigt aber eben auch – diese Technologiesouveränität gibt es nicht zum Nulltarif.
Silicon Saxony als eigenfinanziertes Netzwerk steht bereit, seine Mitglieder auf diesem Weg bestmöglich zu begleiten. Dies schließt selbstverständlich die Kooperation mit anderen Regionen Europas und auch der Welt mit ein. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Sachsen, Deutschland und Europa so aufzustellen, dass es der wichtige Kooperations- und Geschäftspartner für die anderen Regionen der Welt ist, der es sein sollte. Dazu brauchen wir ein starkes „Silicon Europe“. Denn wie sagte einst Dwight D. Eisenhower: „Only strength can cooperate. Weakness can only beg“.