Vorteile von Schnelltests und Laborverfahren für neue Anwendungen
„Wir haben hier eine stark interdisziplinäre, hervorragende Dissertation mit hoher Anwendungsrelevanz präsentiert bekommen“, sagt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karsten Seidl, Gutachter der Dissertation und Professor für Medizintechnik an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Die Arbeit vereine CMOS-basierte Biosensorik und Optoelektronik mit Anwendungen für Molekulartests und Immunoassays. Und das sei entscheidend, wenn es schnell gehen muss, aber so genau wie im Labor sein soll, so Karsten Seidl weiter.
Denn hochpräzise diagnostische Systeme zum Nachweis von Infektionen und Krankheiten sind komplex, groß und teuer. Sie werden vor allem in zentralisierten Laboren mit geschulten Fachkräften eingesetzt. Ergebnisse ziehen oft Warte- und Wegezeiten von Tagen nach sich.
Sind jedoch schnelle Testergebnisse wichtig, wie z.B. bei Notfällen im Rettungswagen, sind Point-of-Care-Tests eine Option. Diese Schnelltests haben den Vorteil, dass sie einfach vor Ort zu handhaben, klein und preiswert sind. Allerdings weisen sie für viele Anwendungen eine zu geringe Sensitivität auf oder sind nicht digitalisiert – oder beides.
„Alexander Hofmann hat mit seiner Dissertation zentrale Grundlagen für eine innovative Klasse von Point-of-Care-Diagnostiksystemen geschaffen, die Präzision auf Laborniveau mit der Kompaktheit und Kosteneffizienz elektronischer Schnelltests verbinden. Seine Arbeit ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie sich CMOS-Technologie und bioanalytische Verfahren zu einer leistungsfähigen Plattform für dezentrales Gesundheitsmonitoring integrieren lassen“, erklärt Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ralf Sommer, Betreuer und wissenschaftlicher Geschäftsführer des IMMS sowie Leiter des Fachgebiets Elektronische Schaltungen und Systeme an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der Technischen Universität Ilmenau. „Die entwickelten Konzepte eröffnen neue Perspektiven für elektronische Schnelltests – von molekularen Nachweisen bei Infektionskrankheiten über personalisierte Gesundheitschecks bis hin zu Tests auf Allergene, Nährstoffe oder Verunreinigungen in Lebensmitteln und Trinkwasser. Durch die Kombination optischer und ionensensitiver Nachweismechanismen lassen sich künftig noch breitere bioanalytische Anwendungen abdecken, ohne dabei auf Laborausstattung angewiesen zu sein.“
CMOS-Biochip-System zur optischen Detektion und Quantifizierung von Analyten
Die Dissertation liefert den Nachweis, dass sich über Lichtabsorptionsmessungen mit einem entwickelten optoelektronischen CMOS-Biochip-System die Vorteile von präziser Labortechnik mit denen von Schnelltests kombinieren lassen. „In dem untersuchten CMOS-Biochip-System werden Proben direkt auf einen optischen Sensorchip gegeben und die biochemische Reaktion ohne Abstände zwischen Probe und Lichtdetektor gemessen“, erklärt Alexander Hofmann. „Für die dafür notwendige Funktionalisierung der Chip-Oberfläche haben Partner von uns Protokolle, also Rezepte entwickelt.“ Damit könne man biochemische Reaktionen nachweisen, bei denen je nach Konzentration des gebundenen Analyten Licht unterschiedlich stark absorbiert wird, so Alexander Hofmann weiter. „Und das kann man dann als Helligkeitsunterschiede optoelektronisch messen.“
In der Arbeit hat er untersucht, wie sich der Abstand von Proben bzw. nachzuweisenden Analyten zum Detektor auf die maximal erreichbare Sensitivität auswirkt, Vor- und Nachteile im Vergleich zu klassischen optischen Ansätzen diskutiert und Ansätze zum Contact Sensing und Contact Imaging bezüglich der erreichbaren Sensitivität gegenübergestellt. Zudem hat er ein Konzept zur Modellierung der optischen, biochemischen und elektronischen Systemanteile des CMOS-Biochip-Systems entwickelt. Damit lassen sich erreichbare Leistungsparameter abschätzen wie Sensitivität, Signalauflösung, Signal-zu-Rausch-Verhältnis, Dynamikbereich, Konzentrationsmessbereich sowie Nachweisgrenze.
Bioanalytische Validierung
Das System wurde mit zwei ausgewählten bioanalytischen Verfahren validiert.
Zum einen wurde erstmals DNA mit Lichtabsorptionsmessungen auf CMOS-Biochips und ohne Biomarker nachgewiesen. Eingesetzt wurde dazu synthetische Ziel-DNA. Diese wurde durch eine DNA-Hybridisierung lokalisiert auf den Photodioden des entwickelten CMOS-Biochip-Systems hochsensitiv nachgewiesen. Die im Rahmen der Arbeit durchgeführten Messreihen legen nahe, dass nicht nur ein hochgenauer, sondern ein PCR-freier molekularer Nachweis mit einem solchen System umgesetzt werden kann.
Zum anderen konnte mit einem immunologischen Verfahren am Beispiel des Nachweises des prostataspezifischen Antigens (PSA) erstmals gezeigt werden, dass das entwickelte CMOS-Biochip-System in den Leistungsparametern den Schnellteststandard LFA übertrifft und auf dem Niveau sowie zum Teil besser als der Laborstandard ELISA ist.
Forschung am IMMS für Sensorsysteme zur In-vitro-Diagnostik
„Alexander Hofmann hat mit seiner Dissertation nicht nur eine hervorragende wissenschaftliche Arbeit vorgelegt, sondern auch die Entwicklung weiterer bioelektronischer Diagnostiksysteme am IMMS inhaltlich und methodisch entscheidend mitgestaltet. Besonders wertvoll ist sein Beitrag zur Erweiterung der bioanalytischen Nachweistechnologien um ISFET-basierte, ionensensitive Verfahren – ein wichtiger Schritt, der die am IMMS etablierten optischen Plattformen sinnvoll ergänzt. Durch seine interdisziplinäre Arbeitsweise, seine Projektleitungen und seinen Innovationsgeist hat er den technologischen Kompetenzaufbau in diesem strategisch wichtigen Forschungsfeld maßgeblich vorangetrieben“, fasst Prof. Sommer zusammen.
Damit erstreckt sich die Forschung des IMMS im Bereich CMOS-basierter Biosensoren auf optische Analyseverfahren, wie z.B. mittels Einzelphotonendetektoren (SPADs), und auf ladungsbasierte Analysen, wie z.B. über ionensensitive Feldeffekttransistoren (ISFET). Gemeinsam mit Partnern erforscht das IMMS, wie sich diese nutzen lassen, um weitere physikalische, chemische und biologische Parameter digitalisieren zu können. Zudem arbeitet das IMMS daran, integrierte Schaltungen mit anderen diagnostischen Technologien zu kombinieren, wie z.B. mikrofluidische Lab-on-Chip-Systeme.
Alexander Hofmann mit einem optoelektronischen CMOS-Biochip auf einer Cartridge und einem zugehörigen Testsystem für Untersuchungen zu seiner Dissertation “CMOS-Biochip-System zur optischen Detektion und Quantifizierung von Analyten”. Foto: IMMS.