Quantencomputer gelten als überaus zukunftsträchtiges Rechnerkonzept. Routenoptimierungen, Molekülsimulationen oder Datenbanksuchen könnten sie ungleich schneller erledigen als heutige Supercomputer. Doch die bisherigen Modelle sind noch nicht leistungsfähig genug – sie verfügen über zu wenige Recheneinheiten, Qubits genannt. Die Aufgabe, Tausende oder gar Millionen von Qubits zu einem Quantenprozessor zusammenzuschalten, ist bislang ungelöst. Ein Ausweg wäre, statt eines großen Rechners mehrere kleinere zu bauen und miteinander zu verschalten. „Doch dabei stellt sich das Problem, die Quanteninformation zwischen den Modulen so zu übertragen, dass sie nicht verloren geht“, erläutert HZDR-Forscher Mauricio Bejarano. „Hier kann unser Projekt neue Impulse bringen.“
Eine verbreitete Methode, Quanteninformationen zu übertragen und Qubits anzusteuern, ist die Verwendung von Mikrowellen. Diesen Weg verfolgen Google und IBM mit ihren supraleitenden Qubits, dem bis dato fortgeschrittensten Rechnerkonzept. „Wir dagegen steuern die Qubits mit Magnonen an“, sagt HZDR-Physiker Helmut Schultheiß. „Darunter kann man sich magnetische Anregungswellen vorstellen, die durch ein Magnetmaterial laufen.“ Der Vorteil: Die Wellenlänge von Magnonen liegt im Mikrometerbereich und ist deutlich geringer als die Zentimeterwellen der konventionellen Mikrowellentechnik – die Bauteile ließen sich platzsparender bauen.
Raffinierter Frequenzteiler
Doch wie lassen sich Magnonen gezielt erzeugen, um mit ihnen ein Qubit anzusteuern? Um das herauszufinden, konzipierte die HZDR-Arbeitsgruppe ein neuartiges Experiment. Als Basis diente eine Schicht aus Siliziumkarbid. An manchen Stellen des Kristalls fehlte jedoch ein Siliziumatom – hier können die Elektronen aufgrund ihres Spins als Qubit fungieren. Um diese Qubits mit Magnonen anzusteuern, schieden die Fachleute über ihnen ein spezielles Bauteil ab – eine mikrometerkleine Scheibe aus einer magnetischen Nickel-Eisen-Legierung, umringt von einer Omega-förmigen Goldstruktur. Unter Wechselstrom gesetzt fungierte der Goldring als ein Sender. Er schickte Mikrowellen in die Magnetscheibe und regte dadurch die Magnonen an.
Dabei wirkte die Anordnung als eine Art Frequenzteiler: „Aufgrund eines nichtlinearen Phänomens schwangen die Magnonen mit einer deutlich niedrigeren Frequenz als sonst in einem magnetischen Material“, erläutert Bejarano. „Erst mit dieser niedrigeren Frequenz war es möglich, die Qubits in der darunterliegenden Siliziumkarbid-Schicht anzuregen.“ Mit dem Versuchsaufbau lassen sich zwar noch keine Quantenberechnungen vollführen. Aber er zeigt: Es ist grundsätzlich machbar, Qubits mit Hilfe von Magnonen gezielt anzusprechen.
Praxistaugliche Materialien
„Bislang hat die Quantencomputer-Szene noch gar nicht so richtig auf dem Schirm, dass sich Magnonen zum Ansteuern von Qubits verwenden lassen“, betont Schultheiß. „Doch unser Experiment zeigt, dass diese Magnetwellen tatsächlich nützlich sein könnten.“ Um ihren Ansatz weiterzuentwickeln, planen die Fachleute bereits eine Erweiterung ihres Aufbaus: Sie wollen versuchen, mehrere dicht beieinanderliegende Qubits so anzusteuern, dass sie sich quantenmechanisch verschränken lassen – die Voraussetzung für eine Rechenoperation.
Die Vision: Auf lange Sicht könnten sich Magnonen per elektrischem Gleichstrom derart präzise anregen lassen, dass sie in einem Array von Qubits gezielt und ausschließlich mit einem einzelnen sprechen – wodurch sich ein Quantenrechner höchst effektiv programmieren ließe. Die bei dem Versuch verwendeten Materialien jedenfalls kämen für einen praktischen Einsatz in Frage. Sowohl Siliziumkarbid als auch die benutzte Nickel-Eisen-Legierung finden bereits heute in der Industrie breite Verwendung – ganz im Gegensatz zu jenen eher exotischen Materialien, die andere Forschungsteams bislang für Quantenexperimente mit Magnonen nutzen.
Publikation
M. Bejarano, F.J.T. Goncalves, T. Hache, M. Hollenbach, C. Heins, T. Hula, L. Körber, J. Heinze, Y. Berencén, M. Helm, J. Fassbender, G.V. Astakhov, H. Schultheiß: Parametric magnon transduction to spin qubits, in Science Advances, 2024 (DOI: 10.1126/sciadv.adi2042)
Kontakt
Dr. Helmut Schultheiß
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel. +49 351 260 3243 | E-Mail: h.schultheiss@hzdr.de
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Weiterführende Links
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Foto: Bejarano, Mauricio/HZDR