SiC, das neue Silizium?
Getrieben durch die Energiewende und die Elektromobilität zeichnet sich aktuell eine rasant wachsende Nachfrage nach elektronischen Bauelementen für die besonders verlustarme Wandlung elektrischer Energie ab. Ein prominentes Thema in der Halbleitertechnologie sind deshalb die so genannten WBG- oder Wide-bandgap-Halbleiter, wie Siliziumkarbid, Galliumnitrid oder Aluminiumnitrid. Sie verkraften hohe Spannungen bei sehr niedrigen Durchlassverlusten und bieten damit beste Voraussetzungen für den Aufbau hocheffizienter leistungselektronischer Systeme. Unter den WBG-Halbleitermaterialien hat sich insbesondere Siliziumkarbid (SiC) durchgesetzt und es ist bereits eine breite Palette an kommerziellen Produkten verfügbar. In Einsatzbereichen, wo es auf höchste Leistungsdichten und höchste Wirkungsgrade bei der Leistungswandlung ankommt, verdrängen die SiC-Bauelemente mit ihren überlegenen elektrischen Eigenschaften schon die konventionelle Silizium-Leistungselektronik. Das ist beispielsweise bei den Bordnetzen und der Antriebselektronik von Elektrofahrzeugen oder bei der Anbindung von regenerativen Energiequellen an das öffentliche Stromnetz der Fall.
Klasse statt Masse
Die besonderen physikalischen Eigenschaften des WBG-Halbleiters Siliziumkarbid eröffnen weitere interessante Anwendungsmöglichkeiten, wie etwa in der Optoelektronik und in der Sensorik oder für die zukünftige Festkörper-Quantenelektronik. So hat das Berliner Hightech-Unternehmen sglux schon frühzeitig auf SiC-Sensorbauelemente gesetzt und sich mit SiC-Photodioden zur Messung von ultravioletter Strahlung (UV) erfolgreich am Markt etabliert. Diese Photodioden kommen überall dort zum Einsatz, wo Sicherheit allererste Priorität hat. Das ist beispielsweise in der Medizintechnik bei der Überwachung der Dialyse, in der Lebensmittelverarbeitung bei der Kontrolle von Entkeimungsprozessen oder in der Industrie bei der Steuerung von Verbrennungsprozessen der Fall. Die Kernkomponenten für die UV-Dioden, SiC-Chips mit SiC-Heterostrukturen, werden am Fraunhofer IISB in Erlangen nach den Spezifikationen von sglux auf der institutseigenen SiC-CMOS-Linie prozessiert.
SiC erobert den Weltraum
Künstlerische Darstellung der Landung des Mars-Rovers Perseverance am 18. Februar 2021 auf dem Mars im Jezero-Krater. Hauptziele der NASA-Mission MARS 2020 sind die Suche nach Anzeichen früheren Lebens sowie die Gewinnung von Gesteins- und Bodenproben für einen späteren Rücktransport zur Erde.
Eine der herausforderndsten Betriebsumgebungen für elektronische Bauelemente ist sicherlich der Weltraum. Hier müssen alle Komponenten unter extremen Bedingungen absolut zuverlässig funktionieren und selbst kleinste Fehler oder Ausfälle können die gesamte Mission gefährden. Vor diesem Hintergrund ist es für die sglux GmbH aus Berlin und ebenso für das Fraunhofer IISB ein großer Erfolg, dass mittlerweile sogar die NASA zum Kundenkreis der SiC-Pioniere gehört. Bei der aktuellen NASA-Mission MARS 2020 ist am 18. Februar 2021 mit dem Mars-Rover Perseverance auch eine SiC-UV-Photodiode von sglux auf dem roten Planeten gelandet und funktioniert seitdem zuverlässig.
Das außergewöhnliche Umfeld bietet die perfekte Gelegenheit, die Zuverlässigkeit der Produkte von sglux und die Qualität der in Kleinserie am IISB gefertigten SiC-Sensoren unter Beweis zu stellen. „Perseverance“ – was auf Deutsch so viel wie Beharrlichkeit, Ausdauer oder Durchhaltevermögen bedeutet – ist der fortschrittlichste und aufwendigste Rover, den die NASA jemals zum Mars geschickt hat. Das rund zweieinhalb Milliarden Dollar teure Erkundungsfahrzeug sucht auf der Marsoberfläche nach Spuren früheren mikrobiellen Lebens und charakterisiert die Geologie und das Klima des Planeten, was u. a. der Vorbereitung einer zukünftigen bemannten Mars-Mission dient.
Leben auf dem Mars
Cutting-Edge-Technologie am Mars-Rover: Für die ausführliche Untersuchung seiner Umgebung besitzt Perseverance sieben hochentwickelte wissenschaftliche Instrumente. Das Erkundungsfahrzeug verfügt über einen Roboterarm, an dessen Ende das Deep-UV-Raman-Spektrometer SHERLOC montiert ist.
Perseverance verfügt über eine Reihe von hochmodernen wissenschaftlichen Instrumenten, unter denen ein am Roboterarm des Rovers befestigtes Deep-UV-Raman-Spektrometer eine besondere Rolle übernimmt. Das auf den Namen SHERLOC (Scanning Habitable Environments with Raman & Luminescence for Organics & Chemicals) getaufte High-Tech-Gerät ist das erste UV-Raman-Spektrometer auf dem Mars überhaupt. Es ermöglicht dort die berührungslose, räumlich aufgelöste und hochempfindliche Erkennung und Charakterisierung von organischen Stoffen und Mineralien auf der Oberfläche und im nahen Untergrund. Auf der Erde hingegen werden mit der nach dem Physiker C. V. Raman benannten Raman-Spektroskopie beispielsweise die Materialeigenschaften von Halbleiterkristallen untersucht.
Unterstützt von einer Spezialkamera namens WATSON (Wide Angle Topographic Sensor for Operations and eNgineering) und einem UV-LASER erkennt SHERLOC organische Stoffe und Mineralien und erstellt von diesen topografische Karten. Forschungsteams auf der Erde bewerten dann die Messergebnisse und die mineralogischen Karten dahingehend, ob sich Anzeichen für einen früheren Einfluss von Wasser und Hinweise für vergangenes Leben auf dem Mars finden lassen. Auf dieser Grundlage wird entschieden, welche Gesteinsproben Perseverance entnehmen und in Metallröhren versiegelt auf der Marsoberfläche für eine künftige Rückführung zur Erde (Resample-Mission) zurücklassen soll.
Absoluter Härtetest
Detailaufnahme des Deep-UV-Raman-Spektrometers SHERLOC am Mars-Rover Perseverance. Das UV-Spektrometer ist unter anderem mit einer am Fraunhofer IISB in Erlangen prozessierten SiC-UV-Photodiode der Firma sglux aus Berlin bestückt. Der UV-Sensor mit TO5-Gehäuse ist links neben dem Kamera-Objektiv montiert und misst im tiefen UV-Bereich die Strahlungsleistung des Raman-Spektrometers.
Für seine Messungen nutzt das UV-Raman-Spektrometer einen Deep-UV-Laser mit 248,6 nm Wellenlänge, der auf einen Punkt von weniger als 100 µm Durchmesser fokussiert ist. In der Nähe der Laserapertur ist eine SiC-UV-Breitband-Photodiode vom Typ SG01XL-5 von sglux verbaut. Diese detektiert die von SHERLOC während der spektralen Kartographie abgegebene UV-Strahlungsleistung, sodass die Leistung des Lasers bei der Abtastung der Oberfläche überwacht werden kann.
Vor ihrem Einsatz hat sglux den Herstellungsprozess der Photodiode an den Einsatz angepasst sowie aufwändige Selektions-, Prüf- und Charakterisierungsverfahren durchgeführt. Nachfolgend setzte die NASA die so ausgewählten Kandidaten weiteren Tests und Prüfungen aus, beispielsweise zu Vibrationsfestigkeit, Verhalten bei starker Beschleunigung, Hochtemperaturbeständigkeit und Wechselfestigkeit.
Einzigartige Materialeigenschaften
Hochzuverlässige, weltraumtaugliche und tageslichtunempfindliche Breitband-SiC-UV-Photodiode SG01XL-5 von sglux im erprobten TO5-Gehäuse. Der alterungsbeständige, rauscharme und reaktionsschnelle SiC-UV-Sensor arbeitet in einem großen Temperaturbereich stabil. In der Mitte des Gehäuses ist der 7,6 x 7,6 mm² große Silizium-karbid-Chip zu sehen, der am Fraunhofer IISB prozessiert wurde.
Aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften ist Siliziumkarbid derzeit das beste Halbleitermaterial für tageslichtunempfindliche UV-Detektoren und bietet sich geradezu an für den Einsatz in schwierigen Umgebungen. Die Photodioden auf SiC-Basis sind fast vollständig blind für Licht im sichtbaren Wellenbereich und überzeugen durch eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit. Der kleine Dunkelstrom im Femtoampere-Bereich sorgt für niedriges Rauschen, sodass auch sehr geringe UV-Strahlungsintensitäten zuverlässig gemessen werden können.
Die SiC-Detektoren vertragen vergleichsweise hohe Betriebstemperaturen und arbeiten in einem Temperaturbereich von minus 55 bis plus 170 °C stabil. Hierbei erreicht der Temperaturkoeffizient des Signals Werte von kleiner als 0,1 % pro Kelvin und temperaturbedingte Änderungen bei der Messempfindlichkeit lassen sich gut kompensieren. Zudem verfügt SiC über eine extreme Strahlungshärte, wodurch die Bauelemente selbst bei langer und starker Bestrahlung ihre hervorragenden elektrischen Eigenschaften behalten.
Wirtschaft und Wissenschaft
Nahaufnahme von am Fraunhofer IISB prozessierten Siliziumkarbid-Chips. Die SiC-Substrate tragen jeweils ein 4×4-Sensor-Array mit abstimmbaren integrierten und ionenimplantierten UV-Photodioden.
Neue Halbleitermaterialien wie Siliziumkarbid ermöglichen immer auch neue Anwendungen. Das eröffnet gerade den Newcomern und kleineren Unternehmen die Chance, mit innovativen Eigenentwicklungen aktive Wertschöpfung im Hightech-Sektor zu betreiben. Dafür werden oft hochspezialisierte Schlüsselbauelemente benötigt, die trotz niedriger Stückzahlen sicher verfügbar sein müssen. Vor allem den KMU und Start-Ups fällt es mangels eigener Ressourcen häufig schwer, ihre brillanten Ideen in marktfähige Produkte zu überführen. Aber auch für den Mittelstand steigt der Wettbewerbsdruck und der Investitionsaufwand für den technologischen Fortschritt wächst stetig an. Die Big Player hingegen haben in ihren großen Produktionsumgebungen nur wenig Spielraum für Experimente, da es hier vor allem auf Auslastung und Ausbeute ankommt.
Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, den KMU, dem Mittelstand und auch der Industrie niedrig¬schwelligen Zugang zu Hightech-Infrastruktur und Know-how im Bereich der Halbleitertechnologie anzubieten. Durch die Zusammenarbeit von innovativen Unternehmen wie sglux mit Forschungsinstituten wie dem Fraunhofer IISB sind großartige Erfolge möglich, wie das Beispiel der SiC-UV-Dioden von sglux, die bis zum Mars gereist sind, eindrucksvoll zeigt.
Dr.-Ing. Tilman Weiss, Geschäftsführer der sglux GmbH, resümiert: „Unser grundsätzlicher Anspruch lautet ja, dass unsere UV-Sensoren immer länger halten als das System, in das sie verbaut werden. Genau dafür ist der Einsatz auf der Mars-Mission eine großartige Bestätigung und auch für die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IISB. Für das Herzstück unserer Erzeugnisse benötigen wir genau die technologische Kompetenz und die Anlageninfrastruktur, die es am IISB gibt. Erst die Symbiose aus Unternehmertum und Forschung ermöglicht uns eine nachhaltige Wertschöpfung mit exklusiven, weltweit gefragten Produkten.“
Oleg Rusch, Gruppenleiter SiC-Bipolarbauelemente am Fraunhofer IISB, gibt dazu folgende Einschätzung: „Die reine Halbleiterfertigung ist eigentlich nicht primär für das IISB, auch wenn die Prozessierung von Prototypen, Spezialbauelementen und Kleinstserien mittlerweile bei uns zum Tagesgeschäft gehört. Unser Hauptanliegen ist insgesamt die Bereitstellung von wissenschaftlicher Exzellenz, Prozess-Knowhow und herausragender Anlageninfrastruktur für die KMU und die Industrie. Wir sehen bei vielen Unternehmen ein ungenutztes Potential an Innovationskraft, das mit wissenschaftlicher Unterstützung und F&E-Dienstleistungen im Halbleiterbereich erschlossen werden könnte.“
SiC @ IISB
Die Aktivitäten des Fraunhofer IISB im Bereich integrierter Bauelemente sind tief eingebettet in die Institutsstrategie, herausragende Forschungsdienstleistungen entlang der kompletten Wertschöpfungskette anzubieten – vom Halbleitergrundmaterial bis zum leistungselektronischen System. Das technologische Fundament dafür bildet eine durchgehende und industriekompatible CMOS-Prozesslinie für Silizium- und Siliziumkarbid-Wafer bis 200 mm bzw. 150 mm Durchmesser. Im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative „Forschungsfabrik Mikroelektronik Deutschland“ (FMD) wird die Halbleiterfertigung aktuell auch für 200-mm-SiC-Wafer qualifiziert. Innerhalb der FMD hat sich das Fraunhofer IISB als Kompetenzzentrum für Siliziumkarbid positioniert und erweitert konsequent seine Aktivitäten auf diesem Gebiet.
Mit seiner Prozesslinie kann das IISB auch auf fortgeschrittene Technologien zur Heterointegration und Strukturierung im Nanometermaßstab zurückgreifen. Zusätzlich wird kontinuierlich das technologische Portfolio hinsichtlich der Aufbau- und Verbindungstechnik und der Zuverlässigkeit elektronischer Bauelemente und Module weiterentwickelt. Damit baut das Institut sein Angebotsspektrum für hochzuverlässige und höchsteffiziente Leistungselektronik für extreme Umweltbedingungen aus, wie sie in der Luft- und Raumfahrt anzutreffen sind.
sglux GmbH
Die 2003 gegründete sglux GmbH ist Herstellerin von Komponenten zur Messung ultravioletter Strahlung und ein internationales Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der hochzuverlässigen Messung und Verarbeitung von UV-Strahlungsereignissen. Der Firmensitz ist in Berlin. Heute ist sglux weltweit führend bei strahlungsresistenten UV-Photodioden auf der Basis von SiC und die Firma hat sich mit 80 % Exportanteil zum Hidden Champion entwickelt. Das Erfolgsgeheimnis dafür liegt in spezialisierten Produkten, die auf die Bedürfnisse einer sehr anspruchsvollen Klientel zugeschnitten sind.
Fraunhofer IISB
Das Fraunhofer IISB in Erlangen ist auf Wide-Bandgap-Halbleiter und effiziente Leistungselektronik spezialisiert. Bauelemente-Knowhow verschmilzt hier mit komplexer Systementwicklung, vor allem für die Elektromobilität und eine nachhaltige Energieversorgung.
Das Institut bündelt seine Aktivitäten in den beiden Geschäftsfeldern Leistungselektronische Systeme und Halbleiter. Dabei bedient das Fraunhofer IISB die vollständige Wertschöpfungskette, von Grundmaterialien über Halbleiterbauelemente, Prozess- und Modultechnologien, bis hin zu kompletten Elektronik- und Energiesystemen. Als europaweit einzigartige Forschungseinrichtung für das Halbleitermaterial Siliziumkarbid (SiC) ist das IISB ein Pionier bei der Entwicklung hocheffizienter Leistungselektronik, selbst für extremste Anforderungen.
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Weiterführende Links
👉 www.iisb.fraunhofer.de
Foto: Anja Grabinger / Fraunhofer IISB