Durch digitale Technologien lassen sich Emissionen, Energiebedarf und Kosten von Gebäuden massiv senken.
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Durch digitale Technologien lassen sich Emissionen, Energiebedarf und Kosten von Gebäuden massiv senken.
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Was wir unter einem „Smart Building“ verstehen, ist in einem stetigen Fluss begriffen – und wandelt sich derzeit noch einmal deutlich. Noch vor ein paar Jahren galt ein Bürokomplex schon als „intelligent“, wenn er dank moderner Gebäudeleittechnik automatisiert seine Leuchten und Heizungen anhängig von Außenlicht und Temperaturen regulieren konnte. Nach und nach kamen durch „smarte“ Thermostate, Lichtsysteme, Rollläden und Markisen weitere, oft auch nachrüstbare Möglichkeiten hinzu, Gebäude intelligenter und ressourcensparender zu betreiben.
Inzwischen drängen noch elaboriertere Technologien auf den Markt, die hohe Effizienzfortschritte versprechen: durch Sensoren und dezentrale Elektronik gesteuerte thermoelektrochrome Fenster beispielsweise, die sich je nach Wetterlage sowohl selbstständig abdunkeln oder aufhellen wie elektrisch auf der Basis von dezentral ausgewerteten Sensordaten nachregeln lassen. In Versuchen in Griechenland und Schweden erzielte ein europäisches Konsortium um das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik (FEP) Dresden dadurch 35 bis 60 Prozent Energieersparnis für Beleuchtung, Wärme- und Kältetechnik.
Für sich genommen, sind all dies jedoch „nur“ automatisierte Einzelfunktionen, um Strom, Wärme oder Wartungsaufwand zu sparen.
„[…] von einem ,Smart Buildung’ kann man sprechen, wenn es eine zentrale Stelle gibt, von der aus man auf alle wichtigen Daten des Gebäudes zugreifen kann“ (Björn Schuster, Prokurist und Bereichsleiter Business Development, N+P Informationssysteme GmbH)
Es bleibt daher die Frage, ab welchem Punkt ein Gebäude eigentlich als „smart“ beziehungsweise „intelligent“ einzustufen ist. Zwar hat sich die Branche auf keine einheitliche Definition einigen können. „Aber einigermaßen sicher von einem ,Smart Buildung’ kann man sprechen, wenn es eine zentrale Stelle gibt, von der aus man auf alle wichtigen Daten des Gebäudes zugreifen kann“, meint Geschäftsentwickler Björn Schuster vom IT-Spezialisten „N+P Informationssysteme“. Mittlerweile füllt diese Funktion eines zentralen Informations-Umschlagplatzes für Gebäude zunehmend ein Konzept aus, das man bereits aus Luftfahrt, Automobilbau und anderen Technologiebranchen kennt: der „Digitale Zwilling.“
Die Visualisierung veranschaulicht das Konzept vom BIM-Entwurf bis zum digital gespiegelten Gebäude. | Bild: N+P
Denn jenseits aller faszinierenden „smarten“ Einzeltechnologien, die heute auch in Eigenheimen und anderen kleineren Immobilien anzutreffen sind, krempelt nun vor allem ein ganz neuer, ganzheitlicher Ansatz gerade die „Smart Building“-Philosophie um: Im „Building Information Modeling“ (BIM) werden bei der Planung des Gebäudes mit Hilfe einer hochkomplexen Software die Grundlagen für ein „virtuelles Gebäude“ samt Gebäudetechnik geschaffen, welches wiederum Grundlage für eine Weiterentwicklung zu einem „digitalen Zwilling“ des letzten Endes neu entstehenden realen Gebäudes ist.
Im Kern handelt es sich dabei um ein integriertes Software-Konzept, das in der
Die Vorteile von BIM zeigen schon lange, bevor der erste Stein für das Gebäude gesetzt ist:
„Über die rein physikalische, geometrische Planung hinaus kennt BIM bereits im Entwurf die künftigen Funktionalitäten“ (Torsten Thieme, Chefentwickler, DEAXO)
Realitätsnahe Darstellung der virtuellen Fabrik. | DEAXO/3DIT
„Wenn ich zum Beispiel eine Subfab entwerfe, kann die Software mir sagen, ob die Rohrstärke und Rohrlänge für das Reinstwasser, die ich da eingeplant habe, auch passt, ob genug Platz für die Anschlüsse verfügbar ist, ob die Kabellängen passen und so weiter und so fort.“ Die Simulation von Prozessen zum Beispiel in der Gebäudetechnik schon während der Entwurfsphase schließt Fehler aus, deren Behebung in der späteren Bauphase oder gar im Betrieb riesige Kosten erzeugen würden.
Dieses Basis-Layout füttern die Designer, Techniker und Ingenieure dann über Monate und Jahre hinweg mit immer neuen Daten: mit den installierten Anlagen und ihren Funktionen, mit Informationen vom Bau, später im laufenden Betrieb mit Echtzeit-Betriebsdaten, mit Informationen darüber, wo sich oft besonders viele Menschen aufhalten und Klimatisierungsbedarf haben und in welche Gebäudeecke sich selten jemand hinverirrt, wann welcher Fahrstuhl gewartet wurde und dergleichen mehr. So wächst aus dem Entwurf ein komplexer digitaler Zwilling, der fortlaufend aktualisiert werden muss.
Die Vorteile – sei es nun für den Besitzer von Büro-Immobilien oder den Fabrikbetreiber – liegen auf der Hand:
System aus einer virtuellen Fabrik mit Messwerten aus der realen Fabrik. | DEAXO/3DIT
Mittlerweile nutzt bereits jedes sechste (16 Prozent) Bau-Handwerker BIM-Software. Das sind fünf mal soviel wie noch im Jahr 2020. Besonders weit verbreitet ist der Einsatz dieser neuen Evolutionsstufe der „Smart Buildung“-Technologien überall dort, wo sich der vergleichsweise hohe Einstiegsaufwand rasch auszahlt: Bei großen Immobilienunternehmen und deren Dienstleistern, aber eben auch in der Mikroelektronik, die schon immer ein Vorreiter der Hochautomatisierung war. Besonders naheliegend ist der BIM-Einsatz bei neuen Bauprojekten „auf der grünen Wiese“, die sich von Anfang an strikt digital planen lassen. „Aber wir sehen auch einen klaren Trend, dass inzwischen auch zunehmend Bestandsgebäude auf BIM umgestellt werden“, berichtet Björn Schuster. „Meist ist der Anlass ein größerer Umbau.“
Doch obwohl sich die virtuellen Gebäude-Modelle gerade zu einem echten Trendthema entwickeln, sind auch noch viele Herausforderungen zu lösen:
Dass sich trotz der vielen damit verknüpften Herausforderungen Smart-Building-Technologien und speziell auch BIM seit einiger Zeit recht rasch verbreiten, mag kaum verwundern. Denn durch diese Innovationen lassen sich gerade in Hochenergiepreis-Ländern wie Deutschland erhebliche Kosten sparen. Zudem führt um sie kaum ein Weg herum, wenn Immobilienbesitzer zusehends strengere umweltrechtliche Auflagen erfüllen wollen. „Im Gebäudesektor wird in Deutschland mit am meisten Energie verbraucht“, betont Matthias Hartmann vom deutschen Digitalwirtschaftsverband „Bitkom“. „Der Gebäudesektor ist neben Verkehr und industrieller Produktion einer der wesentlichen Verursacher von CO2-Emissionen. Digitale Technologien können den Ausstoß von Treibhausgasen und den Energiebedarf von Gebäuden massiv senken.“ Laut einer Bitkom-Studie können damit bis zu 14,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden. Dies entspreche fast 30 Prozent des im Klimaschutzgesetz formulierten Reduktionsziels für den Gebäudesektor von 51 Millionen Tonnen CO2.
Energieverbrauch und -kosten in Gebäuden betrachtet man auch beim Gebäudesystemtechnik-Anbieter Theben AG als zentralen Innovationstreiber auf dem Weg hin zum „Smart Building“: „Wir sehen die Notwendigkeit, den Energieverbrauch von Gebäuden auf den Prüfstand zu stellen“, meint Paul Sebastian Schwenk, der Vorstandsvorsitzende der Theben AG.
„Die dramatische Entwicklung der Energiepreise erhöht den Druck gerade auch im gewerblichen Sektor.“ (Sebastian Schwenk, Vorstandsvorsitzende, Theben AG)
Paul Schwenk | Theben AG
Als Trend-Thema zeichne sich insbesondere das „Smart Metering“ ab: Die intelligente Zählertechnik werde „entscheidend zur europäischen Versorgungssicherheit beitragen“, ist Schwenk überzeugt. „Durch die Nutzung von Solarstrom und Windkraft rückt die dezentrale Erzeugung von Energie immer weiter in den Fokus. Doch das bedeutet auch, dass wir die Netze besser und präziser überwachen und kleinteiliger steuern müssen als bisher.“ Und durch Smart Metering lasse sich Gebäudeautomation und Netzstabilität „perfekt miteinander verzahnen“.
Zu erwarten ist auch, dass sich die „smarten“ Konzepte aus Industrie und Gebäudewirtschaft in Zukunft noch stärker als bisher gegenseitig befruchten und annähern werden.
„Unterm Strich werden wir uns mit BIM in Richtung der Automobilhersteller bewegen, die immer digitaler planen, bauen und betreiben. Nur dass der Weg noch etwas länger sein wird, bis die fachliche Komplexität im Bauwesen in ihrer vollen Blüte auf die digitalen Systeme übertragen werden kann.“ (Stefan Urlberger, Geschäftsführer, swp software systems GmbH & Co. KG)
Wenn Stadtplaner und Ingenieurbüros künftig einmal den Punkt erreicht haben, dass sie digitale Modelle ganzer Quartiere, Stadtviertel oder gar kompletter Städte in ihren Rechnern beziehungsweise Clouds haben, dann sei eine ganz neue Qualität der Planung zu erwarten. Und daraus könne sich ein gesellschaftlicher Mehrwert ergeben, der bis hinein in den urbanen Umweltweltschutz reiche und die Möglichkeit, sich als Stadt besser für den Klimawandel zu wappnen: „Insbesondere Energiesteuerung, Planung und vieles mehr wäre dann auf einem ganz anderen Level möglich als wir uns das jetzt mit unserer analog-digitalen Brille noch vorstellen können“, meint Urlberger. „Vor allem die Stadtentwicklung wird davon massiv profitieren können, wenn plötzlich mit viel mehr Wissen gearbeitet werden kann. Und die künstliche Intelligenz kann mit dem Vorhandensein großer Datenmengen ihre Stärken in Hinblick auf die Nachhaltigkeit von Gebäuden oder der Verwendung von Baustoffen noch einmal ein ganz anderes Niveau bringen – auch in Hinblick auf das Mikroklima in einem Quartier oder Viertel mit horizontaler oder vertikaler Begrünung und ähnlichem.“
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👉 Building Information Modelling
👉 Weitere Informationen zu Konzepten wie Smart Building, „Open BIM“ (Datenaustausch mit offenen Informationsmodellen) und „Closed BIM“ (Datenaustausch mit proprietären Informationsmodellen eines bestimmten Software-Anbieters) sowie verwandten Konzepten gibt die Organisation „Building Smart“, die auch in Dresden eine Geschäftsstelle hat.