Mikroelektronik

Belgischer GaN-Spezialist in der Insolvenz – Wiederholt Belgien einen sächsischen Fehler?

8. August 2024. Mit dem belgischen Unternehmen BelGaN steht ein ebenso ehrgeiziger wie zukunftsträchtiger Halbleiterhersteller vor den Trümmern seiner Arbeit. Der insolvente Galliumnitrid (GaN)-Spezialist hatte eine große Zukunftswette laufen, wird diese aber nun verlieren. Und das, obwohl die GaN-Technologie eine der spannendsten in der heutigen Welt der Mikroelektronik ist. Von der Elektromobilität bis zur Energiewende hängt viel an diesem innovativen Bereich. Denn GaN ermöglicht, was klassische Halbleiter aus Silizium dem Markt nicht bieten können: z.B. höhere Schaltgeschwindigkeiten und bessere thermische Eigenschaften in anspruchsvollen Industriebereichen.

Hohe Produktionskosten und Unsicherheiten des Materialmarktes halten dennoch viele mögliche Anwender dieser Technologie noch immer von einem Einsatz ab. Es sind die „alten, verlässlichen Pferde“, auf die weiterhin gesetzt wird. Warum es trotzdem von Vorteil wäre, diese verhältnismäßig „junge Stute“ im Stall nicht zu vernachlässigen, Unternehmungen wie BelGaN auch aus europäischer Sicht zu retten, zu fördern und damit langfristig zu halten, zeigen wir in unserem Gesamtartikel auf.

GaN, soviel sei verraten, ist sicher eine Wette auf die Zukunft. Aber eine Wette auf die Zukunft unseres Planeten. Denn ohne Technologien wie GaN geht weit mehr verloren als nur ein einzelnes Unternehmen.

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BelGaN-Fab im belgischen Oudenaarde. Foto: BelGaN

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Im Februar 2022 begann ein durchaus spannendes Experiment. Im belgischen Oudenaarde gründete sich das Unternehmen BelGaN aus und übernahm die Fab des Unternehmens onsemi. Der auf die Fertigung von Halbleitern spezialisierte Standort, der bereits 1983 als Mietec gegründet wurde, sollte sich innerhalb weniger Jahre von einer reinen Silizium- in eine Galliumnitrid (GaN)-Fertigung wandeln. Eine führende 6- und 8-Zoll-GaN-Foundry war geplant, der Nukleus eines belgischen GaN Valley. „Dazu wollen wir die Innovationen des Imec, einem weltweit führenden Forschungsinstitut im Bereich der GaN-Technologien, mit der Erfahrung aus über zehn Jahren Entwicklung von GaN-Technologien und über 30 Jahren Halbleiterfertigung in der Automobilindustrie des BelGaN-Teams kombinieren“, erklärte damals Dr. Alan Zhou, CEO von BelGaN. Ehrgeizige Pläne also, die innerhalb von zweieinhalb Jahren platzten. BelGaN meldete Ende Juli Insolvenz an. 440 Mitarbeitende stehen vor dem Aus bzw. suchen aktuell neue Beschäftigungen. Ist der GaN-Hype der damaligen Jahre damit bereits beendet? Oder setzte ein zu kleiner Player zu vehement und früh auf eine durchaus zukunftsträchtige Technologie?

Die Halbleiterbranche investiert im großen Stil in GaN-Technologien

Letzteres ist zu vermuten. Denn ein Blick auf die mittleren und großen Halbleiterhersteller in unmittelbarer Nähe zeigt: GaN-Technologie steht auch weiterhin hoch im Kurs. So erwarb GlobalFoundries erst Anfang Juli die GaN-Technologie des Unternehmens Tagore. „Dabei handelt es sich um eine Lösung mit hoher Leistungsdichte, die entwickelt wurde, um die Grenzen von Effizienz und Leistung in einer Vielzahl von Stromversorgungsanwendungen in den Bereichen Automotive, Internet der Dinge (IoT) und künstliche Intelligenz (KI) in Rechenzentren zu erweitern“, wie GlobalFoundries in einer Pressemitteilung verlauten ließ. Bereits 2023 übernahm Infineon die GaN Systems Inc. „Das in Ottawa ansässige Unternehmen bringt ein breites Portfolio an Galliumnitrid- (GaN-) basierten Lösungen zur Energiewandlung sowie erstklassiges Anwendungs-Know-how ein“, hieß es hier. Renesas übernahm Anfang 2024 mit Transphorm einen GaN-Spezialisten, um „seine Position in den wachsenden Märkten wie E-Mobilität, Computing mit KI, Infrastruktur und Rechenzentren, erneuerbaren Energien, industrieller Leistungsumwandlung und Schnellladegeräten sowie Adaptern auszubauen“. Auch die X-FAB gehört weiterhin zu den ambitionierten Anbietern von GaN- und SiC-Lösungen, blickt als belgisch geführtes Unternehmen daher aktuell durchaus interessiert auf die Entwicklungen zum Thema BelGaN. Dies sind nur wenige Beispiele eines viel größeren Trends. Der GaN-Traum ist also längst nicht ausgeträumt. Ganz im Gegenteil.

Was ist Galliumnitrid (GaN) und wofür werden GaN-Halbleiter eingesetzt?

Denn Wide-Bandgap-Halbleiter wie Galliumnitrid (GaN) bieten gegenüber Silizium zahlreiche Vorteile. Speziell die höheren Schaltgeschwindigkeiten und besseren thermischen Eigenschaften zeichnen dieses III-V Halbleitermaterial aus. Ob in Hochleistungsanwendungen wie Elektrofahrzeugen und industriellen Motoren oder in Niederspannungsanwendungen wie Schnellladegeräten für Verbraucherprodukte – der GaN-Technologie gehören die Zukunft bzw. die Zukunftsbranchen. GaN-Bauelemente kommen mittlerweile z.B. in der Elektromobilität, in Mobilfunk-Basisstationen, militärischen Radar-Anlagen, Satellitensendern, in Schaltnetzteilen wie DC/DC-Wandlern, Wechselrichtern und Batterieladegeräten zum Einsatz. Allein die Robustheit und damit Zuverlässigkeit dieser Technologie ist ausbaufähig und steht daher im Mittelpunkt der Weiterentwicklung. Auch die Herstellungskosten von GaN-Halbleitern sind aktuell noch deutlich höher als die Herstellungskosten von Silizium-Halbleitern, wenn auch geringer als jene des konkurrierenden Wide-Bandgap-Halbleiter aus Siliziumkarbid (SiC). GaN-Komponenten finden dennoch immer häufiger Beachtung in den Entwicklungsabteilungen. Auch weil sie der Schlüssel zu effizienteren und nachhaltigeren Bauelementen sind. GaN hat damit ohne Frage ein hohes Entwicklungspotenzial, muss sich derzeit aber noch immer hinter der Silizium- und Siliziumkarbid (SiC)-Technologie anstellen.

Wiederholt sich ein Fehler aus der sächsischen Vergangenheit?

Dennoch ist es erstaunlich, dass ein ambitioniertes und zukunftsträchtiges Unternehmen wie BelGaN in die Insolvenz rutscht. Der Markt und die Konkurrenz unterstreichen die Bedeutung von GaN und dessen Perspektiven. Auch wenn der Halbleitermarkt, gerade im Bereich des Automotive-Sektors, schwierige Tage durchlebt, die Automobilkonzerne mit den sinkenden Verkaufszahlen ihrer E-Fahrzeuge kämpfen. Die technologisch breiter aufgestellten mittleren und großen Halbleiter-Player federn derartige Entwicklungen und Durststrecken natürlich deutlich leichter ab. Es mutet trotzdem merkwürdig an, dass weder mögliche Kooperationspartner noch der belgische Staat das angeschlagene Unternehmen zu retten versuchen. Wiederholt sich am Ende ein Fehler aus der sächsischen Vergangenheit?

Mit der Qimonda AG stand seit 2006 eine Ausgründung der Infineon Technologies AG in Sachsen im Fokus. Die komplette Speicherchipsparte von Infineon wurde damals in dieser neuen Gesellschaft gebündelt. Zugegeben ein Bereich, der mit GaN herzlich wenig zu tun hat. In viereinhalb Jahren rutschte damals auch Qimonda in eine wirtschaftliche Schieflage und 2009 schließlich in die Insolvenz. Es fehlten der Mut und auch die Weitsicht, gerade bei der damaligen sächsischen Landesregierung oder dem Bund, ein zukunftsträchtiges Technologieunternehmen zu retten. Heute wäre Qimonda einer von weltweit nur wenigen Spezialisten eines gefragten Halbleiterbereiches. Doch um Fußballikone Lothar Matthäus zu zitieren: „Wäre, wäre Fahrradkette“. Ist BelGaN nun verdammt, die gleiche Geschichte zu durchlaufen? Wir erlauben uns keine Antwort auf diese Frage.

Dem „Wide-Bandgap-Halbleiter“-Markt wird eine goldene Zukunft prognostiziert

Der SiC- und GaN-Power Semiconductor Market wurde im Jahr 2023 jedenfalls auf 2,24 Milliarden USD geschätzt und dürfte mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von über 25% zwischen 2024 und 2032 zeitnah durch die Decke gehen. Einen Markt von 18 Mrd. USD sagen die Prognosen zeitnah voraus. Als Wachstumstreiber gelten die Fähigkeiten und damit Einsatzmöglichkeiten dieses speziellen Halbleitermaterials: z.B. Energieeffizienz und reduzierte Verlustleistung, Erhöhung der Adoption in Elektrofahrzeugen (EVs), Nachfrage nach schnelleren Schaltgeschwindigkeiten, Erweiterung der erneuerbaren Energien sowie hohe Leistungsdichte und Miniaturisierungsanforderungen. Problematisch könnten allein die global ungleich verteilten Vorkommen von Galliumnitrid werden. China, als einer der größten Produzenten aber auch Verbraucher dieses Materials, hat hierbei einen enormen Einfluss. Silicon Saxony Geschäftsführer Frank Bösenberg veröffentlichte hierzu bereits im vergangenen Jahr seine persönliche Analyse unter dem Titel „Zieht China beim Gallium-Export den Stecker aus der globalen (GaN) Chip-Produktion?„. Ein Gesichtspunkt, der durchaus auch BelGaN in den vergangenen Monaten abseits der ungünstigen Marktentwicklung im Automotive-Bereich und den ohnehin deutlich höheren Produktionskosten von GaN-Halbleitern Probleme bereitet haben dürfte.

Fazit

BelGaN ist noch nicht Geschichte. Doch die Zeit, das belgische Halbleiter-Unternehmen zu retten, schwindet. Die umgangssprachlichen „Geier“ kreisen bereits über den Überresten des einst ehrgeizig gestarteten Projektes und dürften sich diese in Kürze einverleiben, sollte nicht noch ein Wunder geschehen. Die große Zukunftswette hätten BelGaN und das geplante belgische GaN Valley dann wohl verloren. Weltweit wird dies aber dem Fortbestand und auch dem Ausbau dieses so wichtigen Halbleiterbereiches keinen Abbruch tun. Allein aus Nachhaltigkeitsgründen und den Entwicklungen rund um die Umstrukturierung des Verkehrs- und Energiesektors wird GaN eine immer größere Bedeutung zukommen. Die spannenden Fragen lauten daher: Wird die Forschung und Entwicklung im Bereich GaN die Nachteile bei Kosten, Haltbarkeit und Zuverlässigkeit zeitnah in den Griff bekommen? Wird das Grundmaterial Galliumnitrid weiterhin in ausreichenden Mengen dem internationalen Markt zur Verfügung stehen? Und findet ein Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit statt? Europa braucht Wide-Bandgap-Halbleiter mehr denn je. Die Ambitionen – von Elektromobilität bis Energiewende – sind riesig. Nur wenige Technologien scheinen hierfür so nützlich wie die der GaN-Halbleiter. Es wird Zeit, dass dies auch abseits der Halbleiterbranche erkannt wird. Vorerst wird BelGaN wohl ein weiteres Qimonda werden. Schade für Belgien und damit auch ein Stück weit für Europa.

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