In der aktuellen Vergaberunde für die prestigeträchtigen „ERC Consolidator Grants“ des European Research Council (ERC) ist Prof. Dr. Karin Leistner, Inhaberin der Professur Elektrochemische Sensorik und Energiespeicherung am Institut für Chemie der Technischen Universität Chemnitz (TUC), erfolgreich gewesen. Für ihr Forschungsvorhaben „ACTIONS: Engineering Magneto-Ionic Materials for Energy-Efficient Actuation and Sensing“ erhält die Elektrochemikerin in den nächsten fünf Jahren rund zwei Millionen Euro. Mit diesem überragenden Erfolg gehört Leistner zu den lediglich 308 zur Förderung bewilligten aus 2.130 Anträgen, wovon 66 auf Deutschland entfallen. Mit der Bewilligung wurde der erste „ERC Consolidator Grant“ und damit eine der renommiertesten EU-Förderungen für exzellente Spitzenforschung an der TUC eingeworben. Durch die Forschungsarbeit auf dem Gebiet der magneto-ionischen Materialien als einer neuen vielversprechenden Materialklasse in der Magnetoelektrik möchte Leistner wichtige Grundlagen und innovative Lösungsansätze für winzige magnetische Bauelemente entwickeln, die Bereiche der Medizintechnik, Mikroskopie und Mikrorobotik revolutionieren könnten.
„Nachdem es vor rund zwei Jahren gelungen ist, den ersten ERC Starting Grant an die TU Chemnitz zu holen, freuen wir uns jetzt riesig über den ersten ERC Consolidator Grant. Ich gratuliere Frau Kollegin Leistner sehr herzlich zu diesem herausragenden Erfolg im Rahmen eines äußerst kompetitiven und renommierten Wettbewerbs auf europäischer Ebene, wodurch die internationale Forschungsexzellenz unserer Universität hervorragend sichtbar wird“, so der Rektor der TU Chemnitz, Prof. Dr. Gerd Strohmeier.
Magneto-ionische Materialien als bahnbrechender Weg zu energieeffizienten magnetischen Mikro- und Nanosystemen
Magnetische Systeme sind heute, 200 Jahre nach der Entdeckung des Elektromagnetismus durch den dänischen Naturwissenschaftler Hans Christian Oersted, in vielen großskaligen technischen Anwendungen, wie in Elektromotoren, unverzichtbar. Bisher ist es jedoch schwierig, dieses Potential auch im Kleinen auszuschöpfen. Die Ursache dafür ist, dass Elektromagnete im Mikrometermaßstab im Verhältnis sehr hohe elektrische Ströme benötigen, um schaltbare Magnetfelder für eine sichere Funktionalität zu generieren. Probleme durch Wärmeentwicklung und niedrige Energieeffizienz sind die Folge. „Das Chemnitzer Projekt ACTIONS schlägt nun einen bahnbrechend neuen Weg zu energieeffizienten magnetischen Mikro- und Nanosystemen vor, der auf magneto-ionischen Materialien beruht. In der Magneto-ionik werden die Eigenschaften magnetischer Materialien gezielt und sehr energiesparend durch elektrochemische Reaktionen bei Raumtemperatur und niedriger Spannung gesteuert. Die zugrundeliegenden elektrochemischen und magnetischen Vorgänge sind jedoch vielfach noch nicht verstanden. Weitere Grundlagenforschung im Grenzbereich zwischen Magnetismus und Elektrochemie ist hier zwingend notwendig. Wir nutzen spezielle Methoden wie die magneto-optische Kerrmikroskopie in elektrochemischer Umgebung, um ein besseres Verständnis zu erreichen“, erläutert Leistner.
Schaltbare magneto-ionische Magnetfeldquellen könnten perspektivisch konventionelle Mikroelektromagnete ersetzen
„Elektrochemisch schaltbare Magnete im Nano- und Mikrometermaßstab zu erforschen, ist mir schon lange ein großes Anliegen. Ich freue mich riesig, dass ich dieses Vorhaben nun mit dem ERC Consolidator Grant an der TUC verwirklichen kann. Ich bin überzeugt, dass sich durch magneto-ionische Mikromagnete völlig neue Möglichkeiten zur energieeffizienten Miniaturisierung magnetischer Systeme eröffnen. Davon können viele Bereiche, wie die Mikrofluidik, die Elektronenoptik und die Mikrorobotik, profitieren“, sagt Leistner. In ihrem Projekt will die Chemieprofessorin magneto-ionische Materialien für magnetische Aktoren und Sensoren weiterentwickeln. Dazu wird Leistner erstmals von dünnen Schichten auf magneto-ionische 3D-Nano- und Mikrostrukturen mit gezielter Ausrichtung der Magnetisierung übergehen. „Mit diesen Strukturen werden magnetische Felder und Gradientenfelder erwartet, die mit einer geringen elektrischen Spannung geschaltet werden können“, so Leistner. Das Ergebnis könnten schaltbare magneto-ionische Magnetfeldquellen sein, die perspektivisch konventionelle Mikroelektromagnete ersetzen können.
Leistner ist eine international führende Expertin im Gebiet der Magneto-ionik und hat dieses Feld von Anfang an sehr aktiv mitgestaltet. Im nun geförderten EU-Projekt wird sie ihre Expertise zur Magneto-ionik mit ihrer langjährigen Erfahrung zur elektrochemischen Synthese von Nanomaterialien zusammenführen. Zu spezifischen Aspekten ist außerdem eine Kooperation mit Prof. Dr. Olav Hellwig, Inhaber der Professur Magnetische Funktionsmaterialen an der TU Chemnitz, sowie mit Prof. Dr. Kornelius Nielsch und Prof. Dr. Axel Lubk vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden geplant.
Hintergrund: ERC Consolidator Grant 2023
Der European Research Council (ERC) schrieb im Jahr 2023 erneut den „ERC Consolidator Grant“ im Rahmen des Programms „Horizon Europe“ aus. Damit werden exzellente Forscherinnen und Forscher in einem noch frühen oder mittleren Karrierestadium bei der Festigung ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit unterstützt. Dies erfolgt oftmals durch den Ausbau der eigenen Forschungsgruppe. „ERC Consolidator Grant“-Ausschreibungen sind für alle Themen und Disziplinen offen. Die Förderung bescheinigt den Geförderten die Exzellenz ihres Vorhabens und ist ein Ausweis dafür, dass sie zu den Besten ihres Faches gehören.
Zur Person: Prof. Dr. Karin Leistner
Karin Leistner hat an der TU Dresden und an der École Nationale Supérieure de Mines de Saint-Étienne Werkstoffwissenschaft studiert und wurde an der TU Dresden promoviert. Danach arbeitete sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden. 2016 forschte sie für sechs Monate im Physics Department der Simon Fraser University in Burnaby/Vancouver (Kanada) zur epitaktischen Elektrodeposition. Anschließend, im Jahr 2017, übernahm sie am IFW Dresden als Leiterin eine Nachwuchsforschungsgruppe zum Thema „Nanoelektrodeposition und Magneto-ionik“. Im Mai 2021 folgte sie dem Ruf auf die Professur Elektrochemische Sensorik und Energiespeicherung an der TUC. Insbesondere magneto-ionische Materialien gehören zu den Forschungsschwerpunkten der Arbeitsgruppe von Prof. Leistner. An der TUC werden diese als eine neue Materialklasse im Gebiet der Magnetoelektrik erforscht.
Kontakt
Prof. Dr. Karin Leistner
Professur Elektrochemische Sensorik und Energiespeicherung
Telefon: +49 (0)371 531-36463
E-Mail: karin.leistner@chemie.tu-chemnitz.de
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Foto: Jacob Müller