X-FAB Dresden: Interview mit Rico Tillner, Managing Director
Wie blickt X-FAB Dresden auf den Standort? Welche Rolle spielt das sächsische Mikroelektronik-Netzwerk für das Unternehmen? Wo endet gemeinsame Standortarbeit und beginnt Konkurrenz? Welche Voraussetzungen sind für zukünftiges Wachstum unbedingt notwendig? Das alles und noch viel mehr erfahren Sie im Interview mit Rico Tillner.
Herr Tillner, welche Bedeutung hat der Dresdner Standort für den Konzern?
X-FAB produziert weltweit an sechs verschieden Standorten. Dabei hat jeder Standort ein eigenes Technologieportfolio. Selbstverständlich gibt es Überschneidungen und Redundanzen für einzelne Technologien, aber kein Standort gleicht dem anderen. Dresden ist einer von nur zwei Standorten, in denen unsere, für die Automobilindustrie sehr wichtige, 350nm Technologie gefertigt wird. Außerdem entwickelt der Standort Dresden als einziger innerhalb der X-FAB-Gruppe zusammen mit unseren Kunden eine Gallium-Nitrid Technologie.
In welchen konkreten Bereichen wurde seit der Eröffnung investiert und wie hoch waren diese Investitionen in Summe?
Aufgrund der langen Historie hat der Standort schon viele Veränderungen erlebt. Die Produktion wurde mit 5-Zoll-Wafern gestartet und 2001 auf 6-Zoll-Wafer umgestellt. Seit 2014 fertigen wir ausschließlich auf 8-Zoll-Wafern. In die derzeitige Produktionskapazität wurde in den letzten Jahren regelmäßig investiert, auch mithilfe von Förderprojekten wie IPCEI. Seit Beginn der Umstellung auf 8-Zoll-Wafer wurden mehr als 100 Mio. Euro investiert. Wir werden auch weiterhin in die Modernisierung und den Ausbau des Standortes investieren.
Für welche Verwendungszwecke produziert der Dresdner Standort? Was können die produzierten Chips genau und in welchen Branchen/Industrien finden sie Verwendung?
Mehr als die Hälfte, der in Dresden produzierten Chips, wird in der Automobilindustrie verwendet. Die Anwendungen sind dabei sehr vielfältig und reichen von der Fahrzeugsteuerung über Füllstandmessung bis hin zur Beleuchtung und den Schließsystemen. Des Weiteren produzieren wir Chips für Medizintechnik, meistens in Verbindung mit unseren MEMS-Fabriken in Erfurt und Itzehoe. Diese Schaltkreise werden zum Beispiel zur Infrarottemperaturmessung eingesetzt. Weitere Anwendungen sind sogenannte Lab-on-a-Chip Schaltkreise, welche zur Selektion von Krebszellen oder für Medikamententests an lebenden Zellen eingesetzt werden können.
Mittlerweile gibt es fünf Fabs, zahlreiche Zulieferbetriebe und Forschungseinrichtungen sowie Mikroelektronik-relevante Softwareunternehmen in Sachsen. In welchen Bereichen ist das Netzwerk für Ihr Unternehmen besonders wichtig?
Das Netzwerk in Dresden spielt für uns eine sehr große Rolle. Zum einen profitieren wir sehr stark von den kurzen Wegen zu vielen unserer Anlagenhersteller und Zulieferer. Dies hilft uns bei Problemen schnell reagieren zu können und ermöglicht einen Vor-Ort-Support ohne lange Reisezeiten. Des Weiteren gibt es zum Beispiel im Bereich Automatisierung und Analytik sehr gute Partner innerhalb des Netzwerkes mit denen wir zusammenarbeiten.
Gibt es hier konkrete Kooperationsprojekte mit anderen Playern am Standort und wenn, ja, welche?
Kooperationen gibt es zum Beispiel im Rahmen von Förderprojekten regelmäßig mit verschiedenen Fraunhofer-Instituten oder anderen Forschungseinrichtungen. Außerdem arbeiten wir mit den Fraunhofer-Instituten auch im Bereich Entwicklung und Produktion zusammen und nutzen hier gegenseitig die jeweils verfügbaren technischen Möglichkeiten.
Das Thema Fachkräfte bewegt nicht nur uns. Aktuell wächst die sächsische IKT-Branche um ca. 5.000 Fachkräften pro Jahr, das entspricht bei gleichbleibendem Wachstum über 100.000 Fachkräften im Jahren 2030. Welche Rolle spielt die direkte Nähe zu anderen Fabs im Kontext Ihrer Fachkräftestrategie? Macht sie den Standort eher attraktiver oder die Konkurrenz größer?
Am Ende ist es Beides. Ein Standort wie Dresden mit dieser Konzentration an verschiedenen Unternehmen im Bereich Mikroelektronik ist einzigartig in Europa. Das hat eine Anziehungskraft über Sachsen hinaus und führt dazu, dass Fachkräfte in die Region kommen. Aber selbstverständlich erhöht die Konkurrenz am Standort auch den Wettbewerb um Talente. Diesem Wettbewerb muss man sich stellen. Dafür ist es wichtig, dass man seine Stärken kennt und diese nutzt. Jede Fabrik hat ihre individuellen Stärken und es gilt genau die Fachkräfte zu finden die nach diesen Suchen. Unsere Fabrik ist die kleinste am Standort. Das ermöglicht uns ein sehr familiäres Arbeitsumfeld und flache Hierarchien. Wir bieten unseren Beschäftigten ebenfalls sehr flexible Entwicklungsmöglichkeiten, die sich an den Interessen der Beschäftigten orientieren.
Intel plant mit Magdeburger eine sogenannte Mega-Fab? Welche Auswirkungen hat das für Sie mit Blick auf Lieferketten, Dienstleister, Rohstoffe und auch Fachkräfte?
Die Mikroelektronik ist ein sehr komplexer Industriezweig, der auf sehr viele verschiedene und hochspezielle Rohstoffe (Wafer, Chemikalien, Gase) angewiesen ist. Wir benötigen in Europa eine genügend große Anzahl an Halbleiterfabriken, damit sich auch Investitionen in die Herstellung der benötigten Rohstoffe lohnen. Ansonsten entstehen zusätzliche Abhängigkeiten in andere Regionen der Welt. Aus diesem Grund ist die Ansiedlung von Intel für mich ein positives Zeichen zur Stärkung des Standortes.
Was ist Ihre Vision für den Standort? Wie möchten Sie diesen weiterentwickeln?
Meiner Meinung nach ist es für den Standort wichtig, dass sich nicht nur auf Leuchtturmprojekte und die neuesten und kleinsten Technologien konzentriert wird, sondern dass der Standort in der Breite wächst. Die Wertschöpfungsketten in der Mikroelektronik sind lang und sehr vielfältig. Am Ende sind viele unterschiedliche Prozesse notwendig, bevor ein Schaltkreis seine Aufgabe zum Beispiel in einem Auto erfüllen kann. Als Technologiestandort sollte diese Bandbreite sowohl in der Forschung als auch in der Produktion abgedeckt werden und auch politisch unterstützt werden. Letztendlich ist eine hohe Diversifikation eine Grundvoraussetzung für eine hohe wirtschaftliche Stabilität auch in Krisenzeiten.
Was sind konkrete Unterstützungsmaßnahmen, die auf dem Weg zu dieser Vision notwendig sind?
Förderprogramme haben für die Mikroelektronik gerade im Hinblick auf den globalen Wettbewerb einen hohen Stellenwert. Hier wäre es wünschenswert, dass die Programme möglichst konkret definiert und unbürokratisch gestaltet sind. Am wichtigsten ist jedoch, dass eine Förderquote erreicht werden kann, welche mit denen anderer Länder weltweit vergleichbar ist.
Bei den Fachkräftestrategien sind weitere Maßnahmen notwendig, um mehr Abschlüsse in den MINT-Berufen zu erreichen. Damit meine ich nicht nur Studienabschlüsse, sondern ebenfalls Berufsausbildungen in diesen Bereichen. Hier sind Initiativen gefragt, die junge Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen möglichst frühzeitig für MINT-Berufe begeistern. Insbesondere Angebote, um Mädchen und junge Frauen besser für diese Berufszweige zu erreichen, müssen ausgebaut werden. Aber allein die Ausbildung oder Umschulung von neuen Fachkräften wird nicht reichen, wenn der Standort weiterhin stark wachsen soll. Die Politik sollte weiterhin daran arbeiten, die Attraktivität des Standortes für ausländische Fachkräfte zu verbessern, bürokratische Hürden abzubauen und die Integration zu erleichtern. Vielen Dank für das Interview, Herr Tillner.
Dieses Interview ist erstmalig im Rahmen unseres Magazins NEXT „Im Fokus: Mikroelektronik“ erschienen.
Zur Gesamtausgabe des Magazins
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