So digitalisieren sächsische Software-Anbieter Technologie-Unternehmen
Dass sächsische Software-Unternehmen vor allem für B2B-Kunden arbeiten, ist bekannt. Oft handelt es sich um Technologie-Unternehmen. In ihnen gilt es nicht nur den Produktionsprozess zu digitalisieren. Auch Arbeitsorganisation und innerbetriebliche Kommunikation müssen zur Absicherung von Qualität und Innovationskraft umgestellt werden – auf eine bruchlose, kollaborative, digitale Arbeitsweise.
Digitalisierung einzigartiger Produktionen
Maschinen und Anlagen sind inzwischen über verschiedene Prozessstufen hinweg untereinander verknüpft – selbst dort, wo es sich nicht um vollautomatisierte Produktion handelt. Im Sinne der Produktqualität ist das einfach unabdingbar. Das Problem besteht darin, dass kein Produktionsprozess dem anderen gleicht. Eine Digitalisierungslösung für die Produktion muss daher zwangsläufig individuell sein. Sie kann sich zwar vorgefertigter Software-Tools bedienen, muss diese jedoch an die jeweiligen Bedingungen anpassen und systemübergreifend zu einem neuen Ganzen verknüpfen. Manchmal aber muss man sogar ganz von vorn beginnen. Solche Systeme zu konzipieren, zu programmieren, sie vor Ort zum Laufen zu bringen und anschließend auch zu pflegen – darin haben es sächsische Software-Unternehmen inzwischen zur Meisterschaft gebracht.
Halbautomatisch, vollautomatisch
N+P Informationssysteme aus Meerane beispielsweise hat sich auf die Digitalisierung nicht vollautomatisierter Produktionsprozesse im Maschinen- und Anlagenbau spezialisiert. „Digitale Fabrik“ nennen sie diese Kombination aus Klassik und Moderne. Das Angebot erstreckt sich auf den gesamten Produktionsablauf von der Konstruktion bis zum Rechnungswesen. Die Mitte der Prozesskette bedient eine eigens entwickelte MES-Software zur Erhebung und Verarbeitung von Prozess- und Maschinendaten namens NuPMES. („MES“ steht für „Manufacturing Execution System“.) Es handelt sich letztlich um Shopfloor Management 4.0. Als anschauliches Arbeitswerkzeug bildet hierbei eine Plattform für Digitale Zwillinge die Produktionsanlagen ab. Sämtliche Prozessdaten fließen in sie ein. Weil sich die Rahmenbedingungen ähneln, hat N+P sein Angebot auch auf Bauwesen und Facility Management ausgedehnt.
ZEISS Digital Innovation aus Dresden wiederum hat aufgrund seiner speziellen Anbindung vollautomatisierte Produktion „gelernt“. Die Softwarelösungen des Unternehmens kommen nicht nur den hochspezialisierten Produktionsabläufen des Mutterkonzerns – etwa in der Optik- und Medizintechnik-Produktion – zugute; auch Halbleiterindustrie und Automobilhersteller profitieren von ihnen.
Gewinnbringende Datenverarbeitung
Sowohl in der automatisierten Produktion als auch in anderen Branchen, beispielsweise im Handel, kommt es dabei auf die Bewältigung riesiger Datenmengen an. Hier eine Ordnung zu schaffen, die es erlaubt, die Daten gewinnbringend verarbeiten zu können, dafür sorgen individuelle Datenplattformen. Avantgarde Labs aus Dresden bietet sie an. Maßgeschneiderte Cloud-Lösungen und Unterstützung der Datenströme durch KI-Bausteine zählen zum Angebot. Gewinnbringende Datenverarbeitung – das ist dabei ganz wörtlich gemeint, wie Geschäftsführer Torsten Hartmann betont. Die individuell auf den Kunden zugeschnittene Lösung ist Voraussetzung, damit es gelingt. Nicht, dass Avantgarde-Labs keinerlei Standardsoftware verwenden würde – sie bildet aber stets nur wohl ausgesuchte Bausteine im maßgeschneiderten Gesamtpaket.
„Die gemeinsame Klammer unserer Projekte über alle Branchen hinweg heißt: Wertschöpfung aus Daten.“
(Torsten Hartmann, Avantgarde Labs GmbH, Dresden)
Die Geschäftsführung von Avantgarde Labs, vorn: Torsten Hartmann
(Quelle: Avantgarde Labs)
Die guten ins Töpfchen
Speziell für individuelle Datenbanksysteme in der Produktion bietet Symate aus Dresden ein Zusatzpaket. Sein KI-basiertes System DETACT sortiert die im Prozess anfallenden Daten aus und verknüpft sie in einer Weise, die mit herkömmlichen Mitteln nicht möglich wäre, so aber vollkommen neue Erkenntnisse hinsichtlich von Produktqualität und Prozessentwicklung erlaubt. DETACT bedient Produktionsprozesse mit mittlerem bis hohem Automatisierungsgrad wie etwa das Spritzgießen oder Extrudieren von Kunststoffteilen, das Druckgießen von Metallteilen und die Additive Fertigung. Mit anderen Worten: Branchen wie beispielsweise Medizin- und Automobiltechnik können davon profitieren. Auch bei DETACT handelt es sich letztlich um ein Werkzeug des fortgeschrittenen Shopfloor Managements. Als App dockt es an MES-Systeme wie etwa das oben erwähnte von N+P an.
Software für Software
Eine absolute Nische – wenn man das Marktsegment seiner Größe wegen denn so nennen darf – bedient die tracetronic GmbH. Das Unternehmen liefert Software zum Testen von Softwarefunktionen in Fahrzeugen. Bekanntlich sind Autos inzwischen zu fahrenden Computersystemen mutiert – die Palette reicht von der Motorsteuerung über das Bremssystem bis hin zur Fahrerassistenz. Weil die Codebasis ständig anwächst und Tausende an ihr arbeiten, steigt zugleich auch die Gefahr, dass sich Fehler ins System einschleichen. Diese rechtzeitig zu erkennen, ist die Aufgabe der Software von tracetronic. Sie fährt also nicht mit, sorgt aber für reibungsloses Fahren. Das Dresdner Softwarehaus bedient Fahrzeughersteller aller Marken, PKW wie Nutzfahrzeuge. Die Marktnische von tracetronic ist also riesig; sie umfasst die ganze Welt.
Arbeitsalltag bei tracetronic
(Quelle: tracetronic)
Besser im Büro
Anbieter wie Communardo und Staffbase sorgen mit ihren Lösungen zur digitalen Kommunikation dafür, dass die Digitalisierung in Unternehmen außerhalb von Produktionsprozessen vorangeht – und damit Qualität und Innovationskraft auch an der Peripherie gesichert werden. Communardo bietet individuelle Lösungen, die das gesamte Spektrum betrieblicher Abläufe abdecken: Wissensmanagement, Projektmanagement, Vertragsmanagement, Service Management und so weiter. Standardsoftware-Bausteine, etwa von Microsoft oder Atlassian, werden dabei kundenspezifisch angepasst und zu individuellen Systemen verknüpft. Jedem Projekt geht eine intensive Beratungsphase voran. Staffbase wiederum konzentriert sich auf den Bereich der innerbetrieblichen Kommunikation und hat hierfür sogar eine eigene Standardsoftware entwickelt. Es kann also durchaus sein, dass Communardo ein Produkt von Staffbase in den digitalen Arbeitsplatz integriert.
„Unsere Lösungen verknüpfen Software führender Anbieter zu einem integrierten digitalen Arbeitsplatz.“
(Dirk Röhrborn, Communardo GmbH, Dresden)
Dirk Röhrborn, Geschäftsführer von Communardo und Vorsitzender des Silicon-Saxony-Präsidiums
Den verborgenen Meistern helfen
Es gibt einen Typ von Unternehmen, die auch digitalisieren müssen, zugleich aber aufgrund extremer Spezialisierung besonders wenig mit Standardlösungen anfangen können. Gemeint sind die – von Unternehmensberater Hermann Simon so genannten –„Hidden champions“. Es handelt sich um Unternehmen zumeist aus dem Technologiebereich, die mit einem einzigartigen innovativen Produkt den Markt dominieren, obwohl sie nicht selten dem Mittelstand angehören. Gerade solchen verborgenen Meistern widmen sich sächsische Software-Unternehmen mit Hingabe.
Produzieren: noch „hidden“, aber schon digital
So hat N+P die Konstruktionsabteilung von Freiberger Compound Materials digitalisiert. Das Unternehmen erzeugt weltweit einzigartige Substrate für Verbindungshalbleiter. Mit einer maßgeschneiderten ERP-Plattform revolutionierte das Software-Unternehmen auch die Produktion des Spezial-Anlagenbauers SITEC aus Chemnitz. Aus der Datenbasis, welche die Software schafft, lassen sich nun sogar neue Geschäftsmodelle für SITEC ableiten. Trützschler, Weltmarktführer bei Baumwollspinnmaschinen aus Mönchengladbach, profitiert von einer Digitalisierungslösung zum Vorsortieren der Rohbaumwolle, einem ansonsten hochgradig aufwändigen Prozess. Appsfactory aus Leipzig hat sie bereitgestellt. FEP Fahrzeugelektrik Pirna beliefert die gesamte Automobilindustrie mit Kunststoff-Steckverbindern. DETACT, die Analysesoftware von Symate, hilft bei der qualitätssichernden Prozessdatenüberwachung. Auch Carbonbeton, den neuen, an der TU Dresden entwickelten Baustoff, hat sie mit der Datenanalyse bei Werkstoffzusammensetzung und Prozess auf dem Weg in die Anwendung durch innovative Bauunternehmen begleitet. Die einfachen Robotik-Softwarelösungen von Wandelbots wiederum kommen auch kleinen innovativen Technologie-Unternehmen zugute, die sich externe Roboter-Programmierer weder zeitlich noch finanziell leisten können.
Zum Schluss noch einmal die Abläufe
Bei Hidden Champions ist es zur Qualitätsabsicherung besonders wichtig, dass die Betriebsabläufe ringsum stimmen. Bei zwei solcher Unternehmen hat Communardo mit Lösungen zum digitalen Arbeitsplatz Beiträge geleistet. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Bei dem einen Unternehmen handelt es sich um die Meyer Werft in Papenburg, den „Hersteller“ spektakulärer Luxusliner und Kreuzfahrtschiffe. Das andere heißt Plansee, residiert im österreichischen Reutte und produziert weltweit einzigartige metallische Sonderwerkstoffe.
_ _ _ _ _ _
Der Autor
Michael Schmidt
Text | Konzeption
Lewickistraße 55 b, 01279 Dresden
Telefon +49 351 25062955
Mobil +49 151 55591473
ms@schmidt-text.de
_ _ _ _ _
Dieser Beitrag ist im Rahmen der NEXT „Im Fokus: Software“ entstanden.
👉 Zur Gesamtausgabe des Heftes