
„Mit Licht lässt sich die magnetische Ausrichtung eines Materials viel schneller bestimmen als mit Strompulsen“, beschreibt Dr. Jan-Christoph Deinert vom Institut für Strahlenphysik am HZDR. Der Physiker nutzte mit seinem Team ein besonderes, für das menschliche Auge unsichtbares Licht – die sogenannte Terahertz-Strahlung. Mit einer Wellenlänge von knapp einem Millimeter liegt dieses Licht im elektromagnetischen Spektrum zwischen Wärme- und Mikrowellenstrahlung. Als Lichtquelle diente ihnen die Strahlungsquelle ELBE am HZDR. Hier erzeugen Wissenschaftler*innen unter anderem extrem kurze und intensive Terahertz-Pulse. Diese erwiesen sich als ideal, um die Magnetisierung von hauchdünnen Materialproben zu analysieren.
Die Proben bestanden aus mindestens zwei extrem dünnen, übereinander gelagerten Schichten. Für die untere Schicht wählten die Forschenden ein magnetisches Material beispielsweise aus dem Element Kobalt oder aus einer Eisen-Nickel-Legierung. Die obere Schicht bestand aus Metallen wie Platin, Tantal oder Wolfram. Keine dieser metallischen Lagen war dabei dicker als drei Nanometer. „Nur, wenn die Schichten so dünn sind, kann das Material von einem Teil der Terahertz-Strahlung durchdrungen werden“, erklärt Deinert. Diese partielle Durchsichtigkeit – die Transparenz – ist eine zentrale Voraussetzung, um die Magnetisierung der unteren Schicht überhaupt mit Licht auslesen zu können.
Einfaches Material, komplexer Mechanismus
„In unseren Experimenten erzeugen die Terahertz-Blitze eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie“, erläutert Dr. Ruslan Salikhov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR, der für die Herstellung der Proben zuständig war. Im Zusammenspiel mit weiteren optischen Kurzpulslasern konnte das Team die sehr schnellen relativistischen Quanteneffekte in den hauchdünnen Schichten sichtbar machen und entschlüsseln. Zuerst erzeugen die Terahertz-Pulse mit ihrem elektrischen Feld extrem kurzlebige elektrische Ströme in der oberen Metallschicht. Bemerkenswerterweise sortieren sich hierbei die Elektronen je nach Ausrichtung ihres Eigendrehimpulses, des Spins, und es entsteht ein Spinstrom senkrecht zu den Schichten. An der Grenzfläche zwischen den Schichten bildet sich in unmittelbarer Folge eine Anhäufung von Elektronen mit einer ganz bestimmten Spin-Ausrichtung. Und je nach Ausrichtung zwischen diesen Spins und der Magnetisierungsrichtung der unteren Schicht ändert sich der elektrische Widerstand der Grenzfläche. Die Forschenden nennen diesen Effekt unidirektionale Spin-Hall-Magnetoresistenz – kurz USMR.
Der USMR-Effekt wurde vor wenigen Jahren von Forschenden an der ETH Zürich entdeckt. Doch das HZDR-Team ging nun einen großen Schritt weiter. Dank dieses Effekts können die Forschenden die Magnetisierungsrichtung äußerst schnell auslesen, indem sie die extrem kurzen Terahertz-Pulse nutzen. Diese sorgen dafür, dass der Spinstrom etwa eine Billion Mal pro Sekunde seine Richtung wechselt. Der elektrische Widerstand der Grenzschicht wird damit dank dem USMR-Effekt ebenfalls ultraschnell variiert. Und damit sorgt der Quanteneffekt für eine Rückkopplung auf die Terahertz-Strahlung selbst: „Je nach Ausrichtung der Magnetisierung erzeugen wir eine schnelle Fluktuation der Transparenz der Probe“, sagt Dr. Sergey Kovalev von der TU Dortmund. Und dies verändert die Terahertz-Pulse auf ganz spezifische Weise. Nach Durchdringung der Probe erhalten sie eine Oberschwingung, eine sogenannte „Zweite Harmonische“ mit der doppelten Frequenz der ursprünglichen Terahertz-Strahlung. „Genau diese Oberschwingung können wir nachweisen und damit die Magnetisierung der unteren Schicht innerhalb von Pikosekunden bestimmen“, macht Kovalev klar.
Es wird bereits daran geforscht, die magnetisch gespeicherten Daten mit Terahertz-Strahlung nicht nur auszulesen, sondern sogar zu schreiben. Aber das Team weiß auch, dass es von diesem Erfolg der Grundlagenforschung bis zu einer ultraschnellen Festplatte noch ein sehr weiter Weg sein kann. Nötig wären dafür sowohl viel kompaktere Quellen für kurze Terahertz-Pulse als auch effiziente Sensoren für deren Analyse. Der USMR-Effekt zeigt aber, welche komplexen Mechanismen in vergleichsweise einfachen Materialsystemen hier eine wichtige Rolle spielen können.
Publikation
R. Salikhov, I. Ilyakov, A. Reinold, J.-C. Deinert, T. V. A. G. de Oliveira, A. Ponomaryov, G. L. Prajapati, P. Pilch, A. Ghalgaoui, M. Koch, J. Fassbender, J. Lindner, Z. Wang, S. Kovalev: Ultrafast unidirectional spin Hall magnetoresistance driven by terahertz light field, in Nature Communications, 2025 (DOI: 10.1038/s41467-025-57432-2)
Kontakt
Dr. Ruslan Salikhov
Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR
Tel.: +49 351 260 3758 | E-Mail: r.salikhov@hzdr.de
Jan-Christoph Deinert
Institut für Strahlenphysik am HZDR
Tel: +49 351 260 3626 | E-Mail: j.deinert@hzdr.de
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Foto: B. Schröder/HZDR