Am Trend zur vernetzten Fabrik schmieden auch sächsische Akteure
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Am Trend zur vernetzten Fabrik schmieden auch sächsische Akteure
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Jenseits der großen Automobil- und Elektronik-Unternehmen rüsten inzwischen auch mehr und mehr kleinere Industrieunternehmen ihre Fabriken mit „Smart Factory“- Lösungen nach – und Akteure aus dem „Silicon Saxony“ spielen in vielen Fällen eine treibende Rolle dabei. Vor allem der wachsende internationale Wettbewerbsdruck sorgt dafür, dass mittlerweile Mittelständler selbst teils schon mehrere Dekaden alte Werke nachträglich mit derartigen Technologien nachrüsten. Denn Anbieter solcher „Smart Factory“-Konzepte wie beispielsweise Forcam aus Ravensburg oder Branchenorganisationen wie das Institut für angewandte Arbeitswissenschaft aus Düsselsdorf avisieren teils Produktivitätsschübe um die 30 Prozent sowie erhebliche Ersparnisse bei Betriebskosten, Energie- und Materialverbrauch.
Mit AR-Datenbrillen erkennen Mitarbeiterinnen in einem Presswerk beizeiten durch intuitive Datenanalyse mögliche Bauteilfehler – und können eingreifen. Ein „Smart Factory“-Beispielszenario des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) Chemnitz. | Visualisierung: IWU Chemnitz
Hochtechnologie-Unternehmen und Institute in Sachsen bauen sich in diesem Sektor seit einigen Jahren spezialisierte, aber durchaus starke Wettbewerbspositionen auf: in der Produktion robuster und günstiger „Intelligenz“-Hardware sowie Sensorik für Smart Factories, in der Datenanalyse, beim Maschinellen Lernen, aber auch durch die agile Konzeption innovativer Erst-Lösungen. Sie agieren oft als Schnittstelle zwischen deutscher Industrie und den „Hyperscalern“ in Übersee. Das geht aus Einschätzungen des Smart Systems Hubs Dresden, des deutschen Digitalwirtschaftsverbandes „Bitkom“ aus Berlin und weiteren Branchenvertretern hervor. „Sachsen hat da in den vergangenen zwei, drei Jahren eine beachtliche Expertise aufgebaut“, meint Geschäftsführer Michael Kaiser vom Innovationnetzwerk „Smart Systems Hub“ in Dresden. „Hier wächst ein starkes Ökosystem heran.“
Um dies besser einzuordnen, lohnt es sich aber zunächst zu fragen:
Oft werden „Smart Factory“, „Industrie 4.0“ oder „Industrial Internet oft Things“ (IIoT) nahezu synonym und manchmal auch nur als bloßes werbewirksames Etikett verwendet. Tatsächlich gibt es keine allgemein anerkannte Definition für Smart Factories, dafür viele Überlappungen zwischen den Begriffen.
„Industrie 4.0“ zum Beispiel ist ein stark in Deutschland geprägtes, eher maschinen- und automatisierungs-orientiertes Konzept, das unter anderem darauf zielt, selbst die „Losgröße 1“ produktiv herstellen zu können.
„Industrial Internet oft Things“ hat stärkere Wurzeln in den USA und ist vom Gedanken geprägt, vor allem Bauteile, Produkte und Erzeugnisse als vernetzte Kette abzubilden, um daraus auch neue digitale Geschäftsmodelle zu generieren.
„Smart Factories“ wiederum sind (im Idealfall und Endausbau):
(Quellen: Bitkom, Smart Systems Hub, Fraunhofer IVI)
Eine Fabrik zu finden, die all diese Kriterien in vollem Umfang erfüllt, dürfte allerdings schwierig werden. Zwar ist von „Roboterfabriken“, „Dark Fabs“, „kybernetischen Fabriken“, „Industrie 4.0“ und ähnlichen Konzepten schon seit vielen Jahren die Rede, doch in der Praxis waren sie nur schwer stabil zum Laufen zu bringen.
„Gerade da hat Sachsen in jüngster Zeit beträchtliche Beiträge geleistet“
(Michael Kaiser, geschäftsführer, Smart Systems Hub)
„Die Unternehmen hier haben die elektronische Hardware für Smart Fabs erst richtig günstig und robust gemacht.“ Dies gilt natürlich nicht nur für die Schaltkreise, Sensoren und Datenanalyse-Werkzeuge aus dem Freistaat, auch die großen europäischen Anbieter von Automatisierungstechnologien haben in jüngster Zeit große Fortschritte gemacht und ausgereiftere Lösungen auf den Markt gebracht – sowohl für monolithische, neue Großfabriken wie auch für eine evolutionäre Diffusion von „Industrie 4.0“- und „Smartfab“-Technologien in die kleinteiligere Industrie hinein.
„Wir beobachten seit geraumer Zeit zwei Wege zu smarten Fabriken“, sagt „Industrie 4.0“-Expertin Angelina Marko vom deutschen Digitalwirtschaftsverband „Bitkom“ aus Berlin.
„Auf der einen Seite haben wir große Unternehmen, die ganz neue Smart Fabs auf der Grünen Wiese bauen. Dort ist dann alles von Anfang an auf Digitalisierung und Vernetzung ausgerichtet. Und auf der anderen Seite rüsten jetzt viele kleine und mittelständische Maschinenbauer schrittweise auf: Sie installieren nachträglich Sensoren an ihre Maschinen, bauen die IT-Technik aus und vernetzen sie mit der Cloud.“ (Angelina Marko, Berechsleiterin Industrie 4.0 & Technische Realisierung, Bitkom)
Damit gehe nun endlich auch der – lange Zeit in puncto Digitalisierung eher zögerliche – deutsche Mittelstand immer deutlicher den Weg in Richtung stärker automatisierter und eben auch „intelligenter“ Fabriken.
Das deckt sich mit den Beobachtungen von Michael Kaiser: „Mein Eindruck ist, dass es bei den Smart Factories zwei parallele Entwicklungen gibt: Die großen Unternehmen sind gerade dabei, ihre Roboter, Automated Guided Vehicles, additive Fertigungsanlagen und andere Automatisierungstechnik so zusammenzuführen, dass daraus ein intelligentes Gesamtmodell wird. Der Mittelstand dagegen konzentriert sich derzeit darauf, nach und nach einzelne Prozesse, vor allem Arbeitsplätze mit besonders monotonen Tätigkeiten, zu digitalisieren, mit ,Intelligenz’ zu versehen und so schrittweise auf einem anderen Weg zu einer smarten Fabrik zu kommen. Als Treiber stehen dabei in vielen Fällen wachsender Wettbewerbsdruck, der Fachkräftemangel, aber der Wunsch nach mehr Resilienz und Energie-Einsparungen.“
Beide Entwicklungspfade finden sich auch konkret in Sachsen. Hier Beispiele für evolutionäre Lösungen wie auch das „Grüne Wiese“-Konzept:
Innovatoren von Globalfoundries, T-Systems MMS, Deltec, Zeiss und vom Smart Systems Hub haben ein Senorkit und Auswerte-Algorithmen entworfen, mit denen sich mögliche künftige Ausfälle von Wafer-Transportern in einer Chipfabrik vorausschauend ermitteln lassen. Zuerst für Globalfoundries entwickelt, überträgt der Verbund dieses Konzept derzeit gerade auf die Dresdner Infineon-Fabriken.
Ein Innovations-Schwarm hat einen digitalen „Doc“ entwickelt, der den „Gesundheitszustand“ mobiler Hero-Roboter von Fabmatics Dresden in Reinräumen anhand fusionierter Sensordatenströme überwacht. Auch hier haben die Dresdner Innovatoren die Architektur so entworfen, dass sich dieses System nun auf immobile Lagerroboter in der Logistik transferieren lässt.
Der Automatisierungs-Manager Frank Bönewitz und der Ramp-up-Manager Lutz Herrlich planen das Fabrikmodul Nr. 4 von Infineon in Dresden von Anfang an nach Smart-Fab-Kriterien. Dazu gehört beispielsweise:
Leitstand der Infineon-Fabrik in Villach. Ein ähnlicher Leitstand soll in der neuen Infineon-Fab in Dresden entstehen. | Foto: Infineon
Der Automatisierungsgrad in der künftigen Dresdner Infineon-Fabrik 4 wird in einigen Sektoren fast 100 Prozent erreichen. „Das heißt: Theoretisch könnten wir in diesen Abschnitten im Normalbetrieb das Licht ausschalten und daraus eine Dark Fab machen“, ist Bönewitz überzeugt. „Allerdings werden wir das nicht tun – schon allein, weil für die Wartung doch wieder Menschen gebraucht werden. Aber die Roboter und Anlagen selbst würden kein sichtbares Licht brauchen.“
Die Idee einer „dunklen Fabrik“ („Dark Fab“) ist schon einige Jahrzehnte alt und reicht bis in die Zeit der Kybernetik-Euphorie in den 1960er Jahren zurück. Die Idee schon damals: Hochautomatisierte, menschenleere Fabriken, in denen nur Roboter und andere Maschinen arbeiten und Künstliche Intelligenzen autonom den optimalen Fertigungsweg zum gewünschten Endprodukt entscheiden, können viel Energie sparen, wenn sie einfach Licht und Heizung ausschalten. Der Mensch muss nur noch hinein, wenn etwas schiefgelaufen ist.
Tatsächlich aber haben sich zappendustere Industriebetriebe nie durchsetzen können. Und auch auf absehbare Zeit ist nur mit punktuellen Dark-Fab-Lösungen zu rechnen. So gibt es beispielsweise unbestätigte Berichte, manche Fabrikhalle in China voller 3D-Drucker werde tatsächlich schon ohne Licht betrieben. Doch für komplexe Fertigungsprozesse bedarf es bis heute mindestens gelegentlich menschlicher korrigierender Eingriffe. „Meiner Meinung nach wird es keine durchweg dunklen Fabriken geben“, ist Bitkom-Expertin Angelina Marko überzeugt. „Jede Prozesskette muss irgendwie letztlich durch Menschen überwacht werden, es muss immer einen menschlichen Verantwortlichen geben. Die Automatisierung wird im Zuge des Smart-Fab-Trends zweifellos zunehmen und wir werden immer mehr Roboter in den Unternehmen sehen – aber der Mensch wird in irgendeiner Form immer dabei sein.“
Eine intelligente Fabrik wird immer eine Insellösung bleiben und ihr volles Effizienz-Potenzial nicht ausschöpfen, wenn sie nicht Teil durchgängig digitaler Wertschöpfungsketten wird. Vor allem die schweren globalen Lieferketten-Störungen durch Corona, mehrere Fabrikbrände, blockierte Wasserwege, Natur-Katastrophen und Handelskriege haben der Debatte um Resilienz, Mehr-Quellen-Ansatz und Lieferketten-Transparenz neuen Schub verliehen. Hinzu kam der Druck durch das neue Lieferkettengesetze und andere regulatorische Vorgaben.
Dies hat unter anderem dazu geführt, dass in der Automobilindustrie seit 2020 schrittweise mit „Catena-X“ eine vertrauenswürdige Umgebung gewachsen ist: ein kollaboratives Daten-Ökosystem unter Führung von BMW. Dabei handelt es sich um ein Regelwerk, das an „Gaia-X“ angedockt ist – eine „föderierte Dateninfrastruktur, die für europäische Werte, digitale Souveränität der Dateneigentümer, Interoperabilität verschiedener Plattformen und Open Source steht“, so André Rauschert vom Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) Dresden. Catena-X soll für mehr Transparenz in den Lieferketten und für einen einfacheren, aber sicheren Datenaustausch der beteiligten Autohersteller und -zulieferer sorgen.
„Im Automobilbau funktioniert Catena-X schon recht gut und es kommen ständig neue Partner dazu“, schätzt André Rauschert ein. „Daraus ist die Idee entstanden, dass der Maschinenbau so etwas auch braucht.“ Das Konzept nennt sich „Manufacturing-X“, soll ebenfalls Gaia-X nutzen, besteht bisher aber im Wesentlichen nur aus einem Positionspapier, einem Lenkungskreis und einer Grundstruktur. Das Ziel ist auch hier ein „offener, dezentraler und kollaborativer Datenraum für die Industrie 4.0“. Der Maschinenbau soll diesmal als Vorreiter agieren. Weitere Branchenlösungen zum Beispiel für die Chemie- und Pharmaindustrie sind ebenfalls angedacht. Anders allerdings als im deutschen Automobilbau, der von einer Handvoll großer Autokonzerne mit großer Marktmacht dominiert wird, ist es im mittelständischen deutschen Maschinenbau schon deutlich schwerer, sich auf gemeinsame Standards zu einigen und einen allseits akzeptierten Konsortialführer zu finden.
Die Vorteile eines souveränen europäischen Daten-Ökosystems, in dem sich Daten rechtssicher austauschen lassen und der ganze Lieferketten digital abbildet und transparent macht, liegen freilich für die Mittelständler auf der Hand: Einerseits ist dies ein gangbarer Weg, um die Auflagen aus dem Lieferkettengesetz zu erfüllen. Anderseits sind im besten Falle noch rechtzeitig Gegenmaßnahmen möglich, wenn sich eine schwere Störung durch eine Lieferkette „frisst“.
Zudem wird unter Umständen erst durch solch ein Ökosystem für einen deutschen Mittelständler sichtbar, wie krisensicher seine Resilienz-Bemühungen tatsächlich sind. Beispiel: Ein Maschinenbaubetrieb hat sich zwar für die Steuereinheiten seiner Maschinen mehrere Lieferquellen gesichert. Mit Manufacturing-X könnte dann beispielsweise sichtbar werden, dass all die verschiedenen Zulieferer in letzter Instanz doch nur Chips von TSMC verwenden. Wenn also der Nachschub aus Taiwan ausfällt, nützt in diesem Falle auch der gewählte Mehrquellen-Ansatz wenig. Der Mittelständler könnte dann mit Manufacturing-X alternativ nach Steuereinheiten suchen, die auf anderen Schaltkreis-Quellen basieren.
Autor: Heiko Weckbrodt für Silicon Saxony
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👉 Catena-X
👉 Projekt Heimdall (Smart Systems Hub)
👉 Manufacturing-X –Initiative zur Digitalisierung der Lieferketten in der Industrie (Plattform Industrie 4.0)
👉 PRODUKTIVITÄT STEIGERN – Erfolgreich mit Digitalisierung und Produktivitätsmanagement 4.0 (ifaa)