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Silicon Saxony: US-Zölle hemmen deutsche Wirtschaft und Industrie – Ein schlechter Deal für Europa

14. August 2025. 15 Prozent Zoll auf nahezu alle in die USA gelieferten europäischen Waren und Dienstleistungen. Eine Investition von 750 Mrd. Euro in amerikanische Energieprodukte – von Flüssigerdgas (LNG) über Öl bis Kernbrennstoffe. Weitere 600 Mrd. Euro, die europäische Unternehmen in den kommenden vier Jahren in den USA investieren sollen. Die Eckdaten des Zolldeals von US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen liegen schwer in Europas Magen. Noch immer steht die Drohung im Raum, die Zölle auf 35 Prozent zu erhöhen, sollten die versprochenen Investitionen von der EU nicht zeitnah und zuverlässig getätigt werden. Ein Freundschaftsdienst der USA waren die vergangenen Verhandlungen für Europa auf keinen Fall. Was der US-Zolldeal für Deutschland und Europa alles mit sich bringt, wen er trifft und was die Erkenntnisse der vergangenen Wochen sind, zeigen wir in unserem Gesamtartikel auf.

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Willkommen in der Welt eines Sandkastenrüpels, mochte man nach der Zoll-Einigung der Europäischen Union – angeführt durch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – und den USA – in Person von US-Präsident Donald Trump – am 28. Juli denken. Nicht nur, dass die Europäische Union im Zuge der Verhandlungen ihr „Spielzeug“ freiwillig aus der Hand gab, bevor es dem Staatenverbund weggenommen und über den eigenen Kopf gezogen werden konnte. Man aß sogar noch freiwillig eine Hand voll Sand und gab vor, dass diese einem schmeckt. Besser, als öffentlich gedemütigt zu werden und noch schlimmere Dinge erfahren zu müssen. Von einem „guten Abkommen“ war dann schließlich die Rede. Es knirschte zwar zwischen den Zähnen und so richtig zufrieden waren weder Wirtschaft, Industrie noch staatliche politische Akteure. Der Spuk, und das ist die gute Nachricht, war jedoch endlich vorbei. Man kam – nach eigener Ansicht – mit einem blauen Auge davon.

15 Prozent Zoll, 750 Mrd. Euro für Energie, 600 Mrd. für Investitionen in den USA

Statt angedrohter 30 Prozent auf nahezu alle Export-Waren der EU, hatte man „günstige“ 15 Prozent akzeptieren können. Weitere 750 Milliarden Euro (bis zum Ende der Amtszeit von Donald Trump) wolle die EU zusätzlich in die Beschaffung amerikanischer Energie für Europa investieren. 600 Milliarden Euro sind zudem für Investitionen in den USA vorgesehen – die von Unternehmen zu leisten wären. Damit wandert eine Menge europäisches Geld in Richtung USA. Gerade im Energiesektor für Produkte (Flüssigerdgas [LNG], Öl und Kernbrennstoffe), die nicht nach Energiewende und Nachhaltigkeit klingen. Doch auch das gilt es zu ertragen. Sollten europäische Unternehmen zudem nicht wie erwartet in den USA investieren, droht Trump mit dem Anheben des aktuellen Zollsatzes auf 35 Prozent. So richtig ist die EU demnach nicht dem Schwitzkasten der USA entkommen. Es herrscht ein wackliger Burg- oder, um beim einleitenden Bild zu bleiben, „Sandkastenfrieden“.

Deutschland kann Auswirkungen des „Zoll-Deals“ aktuell nicht abschätzen

Das Wirtschaften für europäische Unternehmen auf dem amerikanischen Markt wird, und das steht fest, in den kommenden Jahren nicht nur erheblich schwerer, sondern auch unsicherer. Doch was all das konkret bedeutet und nun nach sich zieht, wusste selbst nach Abschluss der Verhandlungen niemand so richtig. „Das Verhandlungsergebnis und die Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsplätze in Deutschland würden nun in der Bundesregierung ausgewertet“, sagte Deutschlands Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). Eine Aufgabe, die man vor Beginn, spätestens vor Abschluss der Zoll-Verhandlungen erwartet hätte. Nun gut, dann schaut sich Deutschland jetzt an, was die eigene Industrie und Wirtschaft zukünftig abfedern bzw. ertragen müssen. Die wirtschaftliche Vergangenheit beider Player scheint jedenfalls das „massive Ungleichgewicht“ der Handelsbeziehung zwischen den USA sowie Europa und die jetzt notwendigen Zugeständnisse in Richtung USA nicht zu belegen. 

Aus 50 Mrd. Euro Handelsüberschuss für Europa wird ein fettes Minus

Bislang galt auf europäische Waren in den USA ein Zollsatz von etwa einem Prozent. US-Waren wurden in Europa mit circa 3 Prozent Zoll belastet. Im Jahr 2024 betrug das EU-Handelsplus im Warensektor gegenüber den USA fast 200 Milliarden Euro. Es war damit mehr als doppelt so groß wie noch zehn Jahre zuvor. Und genau hierauf stützt sich der US-Präsident. Dass diese Summe durch ein Ungleichgewicht im Bereich des Dienstleistungshandels nahezu ausgeglichen wird und dieses Missverhältnis gerade im digitalen Sektor rasant weiterwächst, spielte am Ende keine Rolle bzw. wurde ignoriert. Die EU führt jährlich US-Dienstleistungen im Wert von 482,5 Mrd. Euro (Stand 2024) ein und nur 334,5 Mrd. Euro aus. Insgesamt herrscht daher nur ein Handelsüberschuss der EU gegenüber den USA von rund 50 Mrd. Euro (Stand 2024). Trotzdem sieht die neue Zoll- und Handelsrealität nun massive Verschiebungen zugunsten der USA vor. Europas Wirtschaft und Industrie werden erhebliche Nachteile ertragen müssen. 

Der florierende und barrierefreie transatlantische Handel ist Geschichte

Flugzeuge und Bauteile, bestimmte Chemikalien und Generika, Halbleiterausrüstungen, einige landwirtschaftliche Produkte, natürliche Ressourcen und kritische Rohstoffe sind von Zöllen ausgenommen. Auf nahezu alle anderen Waren erheben die USA zukünftig jedoch einen Zollsatz von 15 Prozent. Umgekehrt setzt die EU ihre Zölle auf US-Waren von circa 3 auf 0 Prozent. Ausnahme sind hier nur Stahl und Aluminium, die von den USA zukünftig mit 50 Prozent bezollt werden. Dieser Zollsatz soll zwar nach weiteren Verhandlungen gesenkt und ein Quotensystem eingeführt werden, das aber wohl nur nach weiteren Zugeständnissen der EU. „Eine Rückkehr zur alten Normalität – also zu einem florierenden und weitgehend barrierefreien Austausch von Gütern und Dienstleistungen – ist im transatlantischen Handel vermutlich vorerst nicht zu erwarten“, erklärt GTAI, die Außenwirtschaftsagentur des Bundes. Selbst produzierende Werke oder Standorte in Kanada und Mexico sind keine alternativen Optionen mehr, da auch diese Länder inzwischen von Zöllen betroffen sind. Nur wer in den Vereinigten Staaten investiert und produziert, sich zusätzliche oder den Ausbau vorhandener Standorte leisten kann, wird sich der Zoll-Thematik in den kommenden Jahren entziehen können. Für die vielen kleinen und mittleren Exportbetriebe in Europa und vor allem in Deutschland ist dies allzu oft kein gangbarer Weg – weil zu kurzfristig, zu unsicher und zu teuer. 

Neue Handelsbeziehungen müssen mit neuen Partnern weltweit geschlossen werden

Die einzig positive Nachricht scheint zu sein, dass das Zoll-Thema nicht allein Europa betrifft. Beim internationalen Kampf des amerikanischen Präsidenten gegen die „Ungerechtigkeit des globalen Handels“ sind nahezu alle Nationen betroffen. Asien, Südafrika und Südamerika müssen aktuell ebenfalls verloren gegangenes US-Geschäft kompensieren. Das eröffnet Möglichkeiten für die EU und europäische Unternehmen, hier eigene vorteilhafte Handelsbeziehungen zu erzielen. Da in manchen Regionen, und anders als in der EU, sogar Vergeltungsmaßnahmen für die US-Zölle eingeführt wurden, sind auch hier die Chancen für Europa vorhanden. Mit Spannung verfolgen Wirtschaft und Industrie daher die momentanen Verhandlungen zwischen China und den USA. Auch der Kampf dieser beiden Schwergewichte wird Einfluss auf die zukünftigen Möglichkeiten der EU haben. 

Das „Hauen und Stechen“ der US-Handelspartner beginnt

Fakt bleibt jedoch, dass bislang Deutschland den Großteil des europäischen US-Geschäftes abwickelt und damit am stärksten unter der neuen US-Zollrealität zu leiden hat. Waren im Wert von 161,2 Mrd. Euro wurden allein 2024 in die USA geliefert. Irland (72,1 Mrd. Euro), das Vereinigte Königreich (70), die Schweiz (67,8) und Italien (64,8) folgen deutlich dahinter. Gerade die Zölle für die Schweiz weckten dann aber zuletzt Hoffnungen bei der europäischen und gerade der deutschen Industrie/Wirtschaft. 39 Prozent werden zukünftig für Ausfuhren der Eidgenossen in die USA fällig – ein 24-prozentiger Vorteil für Deutschland und die EU sowie ein Weg Warenströme anders zu lenken bzw. der Schweizer Konkurrenz in die Handelsbeziehungen zu grätschen. 

Deutschland will von schlechterem Schweizer US-Deal profitieren

„Deutsche Firmen hätten einen Wettbewerbsvorteil in den Bereichen, wo sie mit Schweizern konkurrieren: bei Maschinen, Medizingeräten, Präzisionsinstrumenten oder im Pharmabereich“, erklärte hierzu Hans Gersbach, Ko-Direktor der Konjunkturforschungsstelle an der Universität ETH in Zürich. Zweiter Vorteil könnten Handelsumlenkungen sein. „Zum Beispiel könnte ein deutscher Zulieferer, der zur Veredelung einer Schweizer Maschine beiträgt, profitieren, wenn man die Veredelung dann in Deutschland durchführt und von dort aus in die USA exportiert. Deutsche Zulieferer von Schweizer Firmen wären jedoch auch negativ betroffen, wenn die Schweiz weniger in die USA exportiert. Wenn die Schweizer Wirtschaft sich zudem abschwächt, wäre das für Deutschland ebenfalls nicht gut. Deutschland ist neben den USA der wichtigste Handelspartner der Schweiz.“

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Schweiz ihrerseits alles versuchen wird, diesen momentanen Nachteil zu revidieren und andere europäische Nicht EU-Länder, wie z.B. Großbritannien, bereits bessere Deals abgeschlossen haben. So gilt für das Vereinigte Königreich aktuell ein Zollsatz von 10 Prozent in den USA. Sicher ist nur: Während sich Europa und der Rest der Welt gegenseitig Handelsvolumina streitig machen müssen, frohlocken die USA unter ihrem „Dealmaker“. Europas Politebene übt sich derweil in Beschwichtigung.

Merz und von der Leyen erklären das Abkommen zum Erfolg

Es sei gut, dass Europa und die USA sich geeinigt haben und so eine unnötige Eskalation in den transatlantischen Handelsbeziehungen vermeiden. Deutschland habe so seine Kerninteressen wahren können. Das Ergebnis sei in der gegebenen Situation das Beste, was zu erreichen war, meinte dazu der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, die Einigung schaffe die dringend benötigte Klarheit für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen. Das sei absolut entscheidend. Das Abkommen bilde einen Rahmen, auf dessen Grundlage weitere Zölle abgebaut und gemeinsam an der wirtschaftlichen Sicherheit gearbeitet werden könne. Denn wenn die EU und die USA als Partner zusammenarbeiten, sind die Vorteile auf beiden Seiten spürbar. Wie diese Aussagen mit der bereits genannten Unklarheit des Vizekanzlers übereinanderzulegen sind, ist nur schwer zu vermitteln.

Silicon Saxony Mitglieder treten in den Austausch und helfen sich untereinander

Für deutsche und europäische Unternehmen wird der US-Markt nach all dem Hin und Her, aber auch nach der Erkenntnis, wie erratisch die US-Regierung unter Donald Trump agiert, ein schwierig zu beackerndes Feld bleiben. Auch Silicon Saxony Mitglieder sind von den aktuellen Entwicklungen und Unklarheiten betroffen. Um sich hier besser zu unterstützen, mögliche Lösungen schnell zu übermitteln und Expert:innen unterschiedlicher Unternehmen in den kommenden Wochen und Monaten miteinander zu vernetzen, werden sich kurzfristig die Arbeitskreise „Patente – Recht – Steuern“ und „Global Service Management“ mit der Zoll-Thematik beschäftigen. Wir ermutigen zudem alle betroffenen Unternehmen unseres Netzwerkes und der Region, sich in der Geschäftsstelle des Silicon Saxony zu melden und damit die Vernetzung bzw. Informationsweitergabe zu erleichtern. 

Auch wenn die genauen Auswirkungen der neuen Handelsrealität aktuell nur schwer zu greifen sind, lassen die bereits durchgeführten Umfragen in Wirtschaft und Industrie kaum Gutes ahnen. Über die Hälfte (58 Prozent) der deutschen Unternehmen erwarten laut Industrie- und Handelskammer künftig weitere Belastungen. Bei Unternehmen mit direktem US-Geschäft sind es sogar drei Viertel (74 Prozent). 

Einem Sandkastenrüpel kann man nur gemeinsam die Stirn bieten, sollte nach all dem die Erkenntnis sein. Eine Chance, die man nach den Deals der letzten Wochen leider verspielt hat. Was bleibt, sind mögliche Lösungen und Erleichterungen für all die betroffenen Unternehmen zu finden. Und hierbei sollte sich die Politik auf Bundes- und Europaebene in der Pflicht fühlen. Als Netzwerk und Cluster trägt Silicon Saxony hierzu gern bei.

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Weiterführende Links

👉 Handelspolitik unter Trump
👉 Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu den US-Handelsmaßnahmen
👉 Bundesregierung: Zolleinigung mit den Vereinigten Staaten
👉 IHK: Trump 2.0 – US-Strafzölle

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