Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Das Versprechen? Eine Revolutionierung der Prozesse durch Automatisierung bei gleichzeitiger Verbesserung der Ergebnisse. Doch wie realistisch ist dieses Versprechen, besonders in komplexen Anwendungen wie der Produktionsfeinplanung?
Betrachten wir die Feinplanung in der diskreten Fertigung. Sie beantwortet eine scheinbar klare Frage: Welcher Arbeitsgang wird wann, auf welcher Maschine, mit welchem Personal und welchen Werkzeugen durchgeführt, um wichtige KPIs wie die Liefertermintreue oder den Durchsatz zu optimieren? Algorithmen, die heute unter den Begriff der KI fallen, können dieses Optimierungsproblem prinzipiell bereits seit Langem lösen. Doch trotzdem blieb die KI-Revolution in der Feinplanung bisher aus. Warum?
KI funktioniert besonders gut in klar umrissenen Aufgaben mit vollständig verfügbaren Informationen. Bei der Produktionsfeinplanung sind im Kern Daten über Maschinen- und Personalkapazitäten sowie zu verplanende Arbeitsgänge nötig. Diese Informationen lassen sich verhältnismäßig einfach bereitstellen. Die Feinplanung ist daher ideal für KI. Sie kann schnell einen optimierten Produktionsplan erstellen, was für Menschen oft unmöglich ist. Doch das ist nur ein Teil der Herausforderung.
Neben der rein quantitativen KPI-orientierten Optimierung des Produktionsplans müssen sowohl weiche Faktoren als auch auftretende Ereignisse berücksichtigt werden. Dies wird besonders deutlich am Beispiel von dringenden Kundenaufträgen, die vom Vertrieb oder der Geschäftsführung priorisiert werden. Während diese Aufträge schnellstmöglich bearbeitet werden sollen, können sie z.B. zu Verzögerungen bei Lieferungen für andere Kunden oder zusätzlichen Rüstzeiten führen. Die Entscheidung, ob diese Folgen akzeptiert werden sollen, muss durch einen Menschen getroffen werden, der die unterschiedlichen Faktoren abwägt.
In der Praxis wird diese Abwägung allerdings selten durchgeführt, da die Auswirkungen nicht auf einen Blick überschaubar sind und die Entscheidungen schnell getroffen werden müssen. Oft wird dem Vertrieb eine Lieferung zugesagt, obwohl das Bauchgefühl sagt, dass dies keine gute Entscheidung sein könnte. Diese Bedenken können jedoch argumentativ nicht untermauert werden, da keine quantitative Entscheidungsgrundlage vorliegt.
Dies verdeutlicht, wie eine erfolgreiche Feinplanung mit KI aussehen muss. Es reicht nicht aus, dass die KI gute Produktionspläne erstellt. Die KI muss den Planer zusätzlich bei auftretenden Ereignissen, die Umplanungen erfordern, schnell mit fundierten Handlungsoptionen versorgen. Jede Option muss einen möglichen Produktionsplan mit KPIs bieten, sodass der Planer fundierte Entscheidungen treffen kann. Die Transparenz über die Optionen und deren Konsequenzen ermöglicht zusätzlich eine gemeinsame Entscheidung mit anderen Abteilungen, wie dem Vertrieb. Dadurch können sogar neue Lösungen entstehen, wie z.B. eine leichte zeitliche Verschiebung des wichtigen Auftrags, um Auswirkungen auf andere Aufträge zu minimieren.
So entsteht ein völlig neuer Arbeitsmodus, in dem KI und Mensch ihr volles Potenzial entfalten. Dies verdeutlicht, dass es nicht ausreicht, KI nur als Werkzeug zu betrachten, das lediglich Arbeit in einem bestehenden Prozess übernimmt. Ein Paradigmenwechsel ist erforderlich – weg von traditionellen Ansätzen hin zu einer neuen Zusammenarbeit von Menschen und KI. Hierfür bedarf es einer neuen Art von Software – für Feinplanung wie auch für andere Prozesse. Diese muss von Grund auf neu konzipiert werden, um menschliche Expertise und KI-Unterstützung zusammenzubringen. Die Rolle des menschlichen Nutzers wird sich dabei ändern – vom Umsetzenden zum Entscheider und Steuerer. Dieser Weg erfordert nicht nur den Einsatz von Technologie, sondern auch Innovation und Umdenken.
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Foto: Pailot